Die Weihnachtsferien sind vorbei. Neben grauem Schmuddelwetter, dem jährlichen Geburtstag Jesu und exzessiver Silvesterb(v)öllerei brachten die zwei Wochen viel Zeit mit Emil und Jakob. Logisch. Den Drang, bei dem Wetter die Wohnung zu verlassen, war bei den beiden eher spärlich ausgeprägt. So machten wir alle das Beste aus der Zeit, ohne den gegenseitigen Geduldsfaden zu strapazieren. Das Schöne, es gab viel Musik. So viel, dass es die nächsten Wochen nicht an Sahnehäubchen mangelt. Halleluja! Wie gut es tut, aus dem „harten“ (Schul-)Alltag auszubrechen. Das heutige Sahnehäubchen ist eine Zufallsbegegnung. Um den Bass eines portablen Lautsprechers zu testen, kramte ich in den Tiefen meiner angestaubten 90er-Hip-Hop-Schublade. Emil hörte die ersten zehn Sekunden des Songs, um im Anschluss für zwei Tage nichts mehr anderes in seinem Gehörgang zu akzeptieren. Er entscheidet sich für die West Coast. 2Pac sei Dank.

Überdenke deine Ansicht

Als Tupac Shakur im September 1996 bei einem Drive-by Shooting in Las Vegas sein Leben verliert, ist mir sein musikalisches Schaffen nahezu unbekannt. Was darauf fußt, dass ich mich zu jener Zeit kaum für Hip-Hop interessiere. Als die Bilder vom Tode Tupacs durch die Nachrichten geisterten, ist mir, durch das Musikfernsehen, lediglich ein Song von ihm bekannt. Mir war es fern zu verstehen, warum das Ableben des jungen Rappers aus Kalifornien eine ähnlich große Anteilnahme auslöst, wie zwei Jahre zuvor der Selbstmord Kurt Cobains. Sprach ich seinerzeit mit berührten Hip-Hop-Fans, bestätigten alle unabhängig voneinander, dass ein „sehr wichtiger und talentierter Künstler gestorben sei“. Eine gegensätzliche Ansicht zu meiner eigenen, die lediglich ein logisches Opfer des gewaltbereiten East Coast vs. West Coast-Konflikts sah. Darüber begann ich nachzudenken. Vielleicht zum ersten Mal habe ich bewusst versucht zu verstehen, wie sich andere, mir nicht bevorzugte, Musikgenres definieren.

Lesane Parish Crooks, wie Tupac Shakur (2Pac) mit bürgerlichem Namen hieß, besuchte in der High-School zahlreiche Lyrik- und Theaterkurse. Seine Texte und Raps galten seit jeher als poetisch und unglaublich ausdrucksstark. Nebenbei spielte er in sechs Hollywoodfilmen mit und bekräftigte sein künstlerisches Talent. Mir war 2Pac zum Zeitpunkt seines Todes lediglich durch den Song „California Love“ bekannt. Der Remix von Dr. Dre aus dem Album „All Eyez On Me„, lief dank des Musikvideos mit Mad Max-Reminiszenz bei MTV rauf und runter. Auch auf Partys war und ist der Song eine sichere Bank, um die müdesten Damen zu Whoo-Girls zu transformieren. Für 2Pac und Dr. Dre ein klares Bekenntnis, gar ein Liebesbeweis, für die aus ihrer Sicht „richtige Seite“ in der schwelenden Hip-Hop-Rivalität. Diese wurde für Tupac Shakur kurz nach Veröffentlichung des Songs zum tödlichen Verhängnis.

Kleines Näschen

Auch wenn ich mich heute weder als detaillierten Kenner, noch als großer Fan der Musik 2Pacs bezeichnen kann, bin ich froh, mich mit der Person und dessen Werk beschäftigt zu haben. Seine Texte sind, im Kontext der Gangsta-Rap-Attitüde, außergewöhnlich. Die transportierten Emotionen reichen von scharfen Anklagen bis zu lyrischen Liebesbekundungen. Ein Künstler der Extreme, der einen spannenden Weg vor sich hatte. Emil sucht sich gerne energetische Songs aus. Dafür hat er ein kleines Näschen. California Love, als brüderliches Band zwischen vielen heterogenen Gruppen und Interessen im „Golden State“, ist genau dieses. Tupac Shakur wurde 25 Jahre alt.

P.S.: Dieser Text weckt viele Erinnerungen und einen großen Dank an Mandy, die mit Ihrer Anteilnahme und Begeisterung für diesen Künstler, die Sicht und Meinung eines jugendlichen Punk-, Grunge- und Pophörers zum Hip-Hop maßgeblich beeinflusste. Allerliebste Grüße von der West an die East Coast!

Unnützes Kneipenwissen I: Tupacs Eltern, Afeni Shakur und Billy Garland, waren beide Mitglieder der Black Panthers. Die Ideologie und der Kampf für die Rechte der schwarzen Bevölkerung in den USA waren zentraler Bestandteil von Tupacs Liedern und öffentlichem Auftreten.

Unnützes Kneipenwissen II: Obwohl zentrale Ikone der West Coast-Bewegung, wurde Tupac Shakur in Brooklyn, New York geboren. Mit 15 zog seine Familie nach Baltimore, wo Tupac in der ansässigen School of Arts, Jazz- und Ballettkurse abschloss.

… so viel zu erzählen …

Unnützes Kneipenwissen III: Tupac Shakur sprach 1993 für die Rolle des „Bubba“ (gespielt von Mykelti Williamson) in „Forrest Gump“ vor.

Unnützes Kneipenwissen IV: California Love basiert auf einer Pianosequenz des 1972 veröffentlichten Songs „Woman to woman“ von Joe Cocker.

 


 Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.