Das Jahr neigt sich dem Ende. Mit Riesenschritten. Auch sahneplatten.de schaltet zwei, drei Gänge runter. Heute das letzte Sahnehäubchen für das Jahr. Noch einmal Emil und Jakob zuhören, bevor ich den Ohren ein wenig Erholung gönne. Weihnachten steht vor der Tür, mitsamt allen auditiven Herausforderungen. Weihnachtslieder allen Ortens. Die Klaviatur von beschwingt-akzeptabel bis nervtötend-migräneartig täglich rauf und runter gespielt. Die Jungs und ich lauschen besinnlich einem Song, der ursprünglich nicht für Weihnachten komponiert wurde. Dennoch ist es mein „Lieblings-Eigentlich-Nicht-Weihnachtslied“. Frankie Goes To Hollywood schaffen mit The Power Of Love etwas Beruhigendes im Wust der Zuckerguss-Weihnachtslieder. Vertonter Neuschnee.

Kein Weihnachtssong

Frankie Goes To Hollywood haben in den 1980er-Jahren große Spuren hinterlassen. Obwohl nur vier Jahre in den Charts aktiv und lediglich zwei Studioalben veröffentlicht, verfügen die fünf Musiker aus Liverpool über eine große Bekanntheit. Ihr Debütalbum „Welcome To The Pleasuredome“ zählt für mich zu den besten Alben der Dekade. In Sachen Sound, Visualisierung und Kunstästhetik setzen sie hohe Maßstäbe. Ihre Videos provozieren das konservativ-prüde England der damaligen Zeit. Ihre Lieder handeln von Sexualität, Politik und Spiritualität. Letzteres ist das Kernthema von The Power Of Love.

Obwohl nicht als Weihnachtssong geschrieben, visualisieren Frankie Goes To Hollywood das dazugehörige Musikvideo mit der Geschichte der Geburt Christi. Aus einem einfachen Grund: die Band stand aufgrund von Tourterminen nicht für einen Videodreh zur Verfügung. Veröffentlicht Mitte November 1984 avancierte The Power Of Love zur #1 der britischen Charts. Bis das Projekt Band Aid mit „Do They Know It’s Christmas?“ im gleichen Jahr einen noch größeren Klassiker der Neuzeit draufsetzten. Für die Briten ist The Power Of Love seit jeher ein gern gespielter Song zur Weihnachtszeit. Im eigentlichen Sinne handelt er von Religion und Liebe, wie Sänger Holly Johnson betont.

Ruhepol

Zur kurzen aber interessanten Geschichte von Frankie Goes To Hollywood werde ich im Rahmen der Sahneplatte Welcome To The Pleasuredome mehr schreiben. Ein unfassbar beeindruckendes Album im Zusammenspiel von Artwork, Sound und Marketing. The Power Of Love ist der Ruhepol des Albums, für mich wunderschön arrangiert und intoniert. Für Holly Johnson der wichtigste Song den er schrieb. Ich ziehe meinen Hut und höre es nochmal laut. Langsam ist Weihnachten, Leute.

 

Unnützes Kneipenwissen I: Holly Johnson war mit seinem Gesang auf The Power Of Love nie zufrieden. Das Lied ist eigentlich in e-Moll geschrieben, der Produzent beschleunigte im Studio allerdings die Aufnahme, so dass seine Stimme in f-Moll erklingt. „Ich klinge wie Mickey Mouse“, sagt er bis heute.

Unnützes Kneipenwissen II: Nicht genug der vertonten Spiritualität, das Plattencover zieren Ausschnitte des Gemäldes „Mariä Himmelfahrt“ des italienischen Malers Tizian.

… und weil Weihnachten ist …

Unnützes Kneipenwissen III: Holly Johnson und Paul Rutherford (Backgroundgesang) bekannten sich nach Auflösung von Frankie Goes To Hollywood 1987 zu ihrer Homosexualität. Zudem lebt Holly Johnson seit über 30 Jahren HIV-positiv.

 


 Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.