Pop, Pop, Pop … Was habe ich als Kind Popmusik gehört. Aufgewachsen in den 80ern, gab es eine Fülle an hervorragend inszenierten, künstlerisch fragwürdigen Popacts. Der Kassettenrekorder stand nie still. „Press Play and Record“. Auf Mixtapes war selten ein Song komplett, irgendein Moderator quatschte verlässlich in die letzten Takte. Und dann die Plattensammlung meiner Brüder. Hach. Bei dem ganzen Haarspray, was die Künstler auf den Plattencovern trugen, musste jemand ein paar Jahre später laut „Ozonloch“ krakeelen. Aber es gab Künstler, die in der Popmusik über jeden Zweifel erhaben waren. Madonna, Michael Jackson, Depeche Mode oder Duran Duran setzen neue Maßstäbe in Inszenierung und Musik. Womit wir bei den beiden elementaren Säulen des Pops wären. Beides gemeinsam auf hohem Niveau garantiert nachhaltigen Erfolg. Erst Lady Gaga nimmt sich über 20 Jahre später ein Herz und liefert den Menschen Spektakel.

Grenzgängerin

1986. Mitten in einer Hochphase der Popmusik erblickt Stefani Germanotta in New York City das Licht der Welt. Als Kind erlernt sie das Klavierspielen, als Jugendliche schreibt sie erste eigene Songs und beginnt ein Musikstudium an der NYU. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich Songwriting. Sie schreibt Essays über viele verschiedene Themen wie Politik, Religion oder Kunst. Im zweiten Jahr bricht sie ihr Studium ab und widmet sich vollends ihrer Musikkarriere. Sie nimmt mit verschiedenen Musikern einige Songs auf und damit durch die Glam- und Queer-Musikszene der Lower East Side. 2007 unterzeichnet sie einen Platenvertrag bei Cherrytree Records um ein Jahr später nach Los Angeles zu ziehen und an ihrem Debütalbum zu arbeiten.

Als ihr Album The Fame erscheint, implodiert die Welt des Pops. In den Jahren 2008 und 2009 kommt niemand an Lady Gaga vorbei. Zu dominant ihr Auftreten, ihre Musik, ihre Person. Als Teenager flüchtet sie sich vor ihrer Unsicherheit in den Drogenkonsum. Mit 19 durchleidet sie eine Vergewaltigung. Ein paar Jahre später steht Lady Gaga mit ihrer Musik und ihrer Inszenierung selbstbewusst für Kunst, Sex und Provokation. Zum ersten Mal seit Madonna, über 20 Jahre zuvor, überschreitet eine Künstlerin bewusst Grenzen. Ihre Musik ist intelligent und hebt sich im Songwriting wohlwollend von anderen Künstlern ab.

Bum-Bum-Techno

The Fame ist so erfolgreich, dass ein Jahr später ein Reissue mit acht neuen Songs erscheint, The Fame Monster. Als Single erscheint Bad Romance, ein Song, den Lady Gaga im Tourbus in Norwegen schreibt. Sie sieht die Wurzeln des Songs in Europa:

„I was in Russia, then Germany, and spent a lot of time in Eastern Europe. There is this amazing German house-techno music, so I wanted to make a pop experimental record. I kind of wanted to leave the ’80s a little bit, so the chorus is a ’90s melody, which is what the inspiration was. There was certainly some whisky involved in the writing of the record. It’s about being in love with your best friend.“ – Lady Gaga, 2010

Nur alle Jubeljahre

Fast zehn Jahre nach seinem Erscheinen, landet Bad Romance in Emils Gehörgang. Und von dort auch wieder in meinem Gedächtnis. Ich halte The Fame für ein Referenzwerk der Popmusik und Lady Gaga für eine herausragende und wichtige Künstlerin des Genres. Es erinnert mich aber auch an ein trauriges, persönliches Kapitel meiner selbst. Mein Vater starb in eben dieser Zeit, als Poker Face, Paparazzi und Bad Romance das Radio dominierten. Irgendwie habe ich das verknüpft. Gute Popmusik ist ein Produkt, was sich verkaufen muss. Musik und Inszenierung. Während die meisten Künstler nur eins beherrschen, steht Lady Gaga oben auf beiden Gipfeln. Angenehm, dass sie sich als Künstlerin heute zurücknimmt und die Musik schreibt, die ihr Freude bereitet. Wir stellen die Uhr und schauen was in 25 Jahren passiert.

Unnützes Kneipenwissen I: Bad Romance erlebte seine Uraufführung auf der Pariser Fashion Week als Finale der Laufstegshow von Designer Alexander McQueen.

Unnützes Kneipenwissen II: Stefani Germanotta ist ein großer Fan des Glamrocks und hegt besondere Sympathiern für Freddie Mercury. Ihr ehemaliger Produzent Rob Fusari machte sich daraus einen Spaß und summte im Studio zur Begrüßung stets den Queen-Song Radio Ga Ga. Als er den Titel Radio Ga Ga in einer SMS versenden wollte, machte seine Spracherkennung aus „Radio“ das Wort „Lady“. Germanottas Reaktion: „Nennt mich nie wieder Stefani.“

 

 


 Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.