Der Moment, wenn das Radio dein Freund ist. Ein Unterbrechen des Einheitsgedudels. Eine Gitarre. Ein Schlagzeug. Ein Jahrzehnt. Alternative-Discos. Uni-Partys. Erst dröhnend im Keller, später grölend in Fankurven. Ob Jack White Fußball mag? Oder zumindest kennt? Was tun, wenn die Kinder gerade jetzt protestieren? „Was kommt auf dem anderen Sender?“. Akzeptieren? Nachgeben? Oder ein lautes „HABT IHR NEN KNALL??“ durch den Fahrzeugfond schmettern? Darf ich vier Minuten den Alltagsstress vergessen? Zurückreisen ins dritte Semester? 2003 war ein übel heißer Sommer. Damals, in der WG. Und während die Gedanken kreisen, erklingen die letzten Schläge von Meg White. „Papa, was war das?“. „Das, mein Sohn, waren die White Stripes„. „Ah … kenn ich!“. „Ach, jetzt hör mir auf …“!

Sieben Töne

Insbesondere Jakob hat derzeit die (nervige) Eigenschaft, jedes anklingende Lied mit einem „Kenn ich“ zu quittieren. Frage ich nach tiefgreifenden Informationen, wie beispielsweise „Woher?“, kommt ein alles entschuldigendes „Hab‘ ich vergessen“. Unser derzeitiges Alltags-„Copy&Paste“. Aber, The White Stripes? Was haben die uns damals die Ohren zurechtgerückt. Auditives Pflichtprogramm. Jack White, Multiinstrumentalist, Kompositionsgenie und tasmanischer Teufel. Dazu Meg White, lausige Schlagzeugerin und nach Bedarf Schwester, Ehefrau oder chinesische Winkekatze. Das Konzept stimmte, das Artwork auch. Schwarz-weiß-rot, die Kombination in Deutschland historisch vorbelastet, in Musikvideos und auf Hochglanzfotos der White Stripes eine hervorragende Optik.

„Seven Nation Army“ ist ein Manifest. Ein heruntergestimmtes Gitarrenriff für die Ewigkeit. Ein Schlagzeug, welches gar ich mir zutrauen würde. Das Riff entstand während einem Soundcheck vor einem Konzert der White Stripes in Melbourne. Jack White wollte es ursprünglich konservieren, für den Fall, er „hätte die Ehre einmal einen James Bond Titelsong zu komponieren“. Er verwarf die Idee (glücklicherweise) kurze Zeit später, durfte aber dennoch 2008 gemeinsam mit Alicia Keys für den englischen Geheimagenten in die Tasten hauen. Seven Nation Army wurde, wie der Rest des Albums „Elephant“ komplett auf analogem Studioequipment eingespielt.

Welche Sahneplatte?

Der Song hob die White Stripes in den Legendenstatus amerikanischer Rockmusik. Welches Album aber wird nun die Sahneplatte? White Blood Cells oder Elephant? Da muss ich mich noch entscheiden. In der Zwischenzeit hoffe ich auf viele weitere Radio-Überraschungen auf Schulheimwegen und stelle mich nervtötenden „Kenn-ich“-Phrasen vom Rücksitz. Da muss ich was gegen tun. Es bleibt spannend …

 

Unnützes Kneipenwissen I: Der Name „Seven Nation Army“ stammt nach Aussage von Jack White von ihm selbst. Als Kind konnte er die „Salvation Army“ (Heilsarmee) nicht richtig aussprechen und sprach stets von der „Seven Nation Army„.

Unnützes Kneipenwissen II: Das Gitarrenriff besteht aus sieben aufeinanderfolgenden Tönen.

… uuuunnnddd …

Unnützes Kneipenwissen III: Das Riff geht auf ein klassisches Thema von Anton Bruckner zurück (5. Sinfonie, erstes Hauptthema, erster Satz). Die Ähnlichkeit ist allerdings nicht beabsichtigt.

 


Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik.