Die kleine Blogpause hat gutgetan. Frische Luft in die Lungen, frische Gedanken im Hirn. In den vergangenen zwei Wochen hatte ich ein Erlebnis, welches für die heutige Wahl der Sahneplatte verantwortlich ist. Es begann mit einem zentralen Element der heutigen Medienzeit: Amazon Prime. Ein Abend auf dem Sofa. Es wird wieder kälter in Deutschland. Beim durchzappen der Neuigkeiten bin ich mit Erstaunen bei einem Film hängen geblieben, der erst vor einem halben Jahr im Kino lief. Voller Verzückung konnte ich den Abend mit einer Renaissance meiner Jugend verbringen. „T2 – Trainspotting„. Und weil der Film eher Nostalgie als eine facettenreiche Handlung in den Vordergrund stellt, gab es „Trainspotting“ direkt danach als Double-Feature. Ich war wieder 17 … und mitten in Leith.

Explizit

Ich liebe Trainspotting. Kein Film verbindet die 1990er-Jahre derart mit expliziter Darstellung des Drogenmissbrauchs, britischer Sozialstudie und einem hervorragendem Cast an schottischen Jungschauspielern. Mit 17 habe ich den Film mehrmals gesehen. Erst Jahre später las ich den Roman von Irvine Welsh. Um es vorweg zu nehmen, das Buch ist nochmal um Klassen expliziter als der Film. Welsh nimmt kein Blatt vor den Mund und stellt auf einigen Seiten das Lesevergnügen auf eine harte Probe. Eine detaillierte Rezension überlasse ich an dieser Stelle meinen lieben Freunden der Buchblogger. Vielleicht kann ich den ein oder anderen mit diesem Beitrag inspirieren.

Die Verfilmung von Trainspotting bietet einen herrlichen Soundtrack, mit einer Vielzahl britischer Künstler (neben Iggy Pop und Lou Reed). Ich habe mir den Soundtrack damals sofort nach dem ersten Anschauen des Films besorgt. Vor allem die Vielfalt und Bandbreite der Genres hat mich fasziniert. Alternative Rock, Britpop, New Wave, Techno, Instrumental – alles ist dabei und passend in Szene gesetzt.

Where it began

“Choose a life. Choose a job. Choose a career. Choose a family. Choose a fucking big television. Choose washing machines, cars, compact disc players and electrical tin openers… Choose DSY and wondering who the fuck you are on a Sunday morning. Choose sitting on that couch watching mind-numbing, spirit crushing game shows, stucking junk food into your mouth. Choose rotting away in the end of it all, pishing your last in a miserable home, nothing more than an embarrassment to the selfish, fucked up brats you spawned to replace yourself, choose your future. Choose life… But why would I want to do a thing like that?”
― Irvine Welsh, Trainspotting

Ewan McGregor („Mark Renton“) startete nach Trainspotting eine Weltkarriere als Schauspieler. Jonny Lee Miller („Sick Boy“) heiratete Angelina Jolie. Robert Carlyle („Francis Begbie“) wurde einer der meistgefragtesten britischen Charakterdarsteller („James Bond“, „The Beach“). Viele der auf dem Soundtrack enthaltenen Künstler waren Mitte der 1990er-Jahre auf dem Höhepunkt ihres kreativen Schaffens (Blur, Pulp, Leftfield). Sie geben dem Film Atmosphäre und eine große Portion Authentizität. Entstaubte Klassiker von Iggy Pop („Lust For Life„) und Lou Reed („Perfect Day„) setzen Emotionen (Party, Melancholie).

„Lager, Lager, Lager“

An der Spitze des Albums steht ein Track, der gemeinsam mit dem Film die Bekanntheitsleiter ganz nach oben kletterte. „Born Slippy“ vom britischen Elektronik-Duo Underworld ist ikonografisch und nebenbei der einzige Technosong, der mir gefällt. Ich schaffe es mittlerweile, die gesamten neuneinhalb Minuten, der auf dem Album enthaltenen Komplettversion, bis zum Ende zu hören. Es passt hervorragend zum Film. Wie ein nervöses Zucken im Augenlid. Rastlos, druckvoll, pulsierend. In den Charts landete seinerzeit eine geschnittene, immerhin noch sechseinhalb Minuten lange, Remixversion von Darren Price.

Wer den Film liebt, liebt auch den Soundtrack. Weil er die gleichen facettenreichen Windungen vollzieht, wie die Handlung des Films. Wer Amazon Prime besitzt und Trainspotting mag, dem empfehle ich, sich in diesen Tagen die Fortführung T2 – Trainspotting anschauen. Die Schauspieler 20 Jahre später zu beobachten ist hoch nostalgisch und lässt ein Schmunzeln zurück. Der Film basiert lose auf Welshs Roman „Porno“ von 2002 und ist auch literarisch eine Fortsetzung der Handlung um die „Skagboys“ aus Leith, Schottland.

WTF?

Ein Anfall von „Coolness“ umwehte meinen Englischlehrer in der Oberstufe, als er auf die Idee kam, Trainspotting als Film im Unterricht zu zeigen. Ich glaube heute, zumindest dachte er das. Fragt ihr mich, war er weder vor noch nach dem Film cool. Ich mochte ihn nicht, er mich nicht. Wer den Film jemals im Original sieht weiß, dass die Idee mit dem Unterricht nur semi-durchdacht war. Die Schauspieler sprechen einen so üblen schottischen Akzent, dass selbst Amerika die Anfangssequenzen mit Untertiteln belegte. Das trägt definitiv nicht zu einem erhöhten Aufmerksamkeitsniveau innerhalb einer Gruppe Heranwachsender bei. Gott sei Dank habe ich den Film vorher bereits ein halbes Dutzendmal gesehen. „Here comes Johnny Yen again … „

P.S.: Natürlich darf in der unten eingebetteten Playlist der Filmtrailer nicht fehlen. Vielleicht macht er ja Lust auf mehr.

 

Unnützes Kneipenwissen I: Auf massiven Wunsch zahlreicher Filmfans, erschien 1997 ein weiterer Soundtrack. Trainspotting #2 beinhaltet weitere Lieder, die auf dem ersten Album keine Beachtung fanden.

Unnützes Kneipenwissen II: Born Slippy ist nach einem Hund benannt, durch welchen die beiden Bandmitglieder von Underworld bei einem Hunderennen Geld gewannen. Sie lehnten es zuerst ab, den Song in Verbindung mit einem Film über Drogen zu setzen. Erst Regisseur Danny Boyle konnte die Band davon überzeugen, dass es sich nicht um eine Glorifizierung von Missbrauch handelt.

… wartet kurz …

Unnützes Kneipenwissen III: David Bowie ist der Co-Autor zu Iggy Pops „Lust For Life“. Der Im Songtext erwähnte Johnny Yen ist ein Hauptcharakter aus William S. Burroughs‘ Roman „The Ticket That Exploded“ von 1962.

 

Anspieltipps: Lust For Life, Temptation, Perfect Day, Mile End, Born Slippy

Höre ich dann am liebsten: auf der schlimmsten Toilette Schottlands

 



Various Artists – Trainspotting OST

Genre:Rock
Stil:Alternative Rock, Britpop, Dance, Techno
Jahr:1996
Anzahl Titel:15
Laufzeit:75:27

Tracklist

Iggy Pop – Lust for Life5:11
Brian Eno – Deep Blue Day
3:56
Primal Scream – Trainspotting10:33
Sleeper – Atomic5:08
New Order – Temptation6:59
Iggy Pop – Nightclubbing4:12
Blur – Sing6:00
Lou Reed – Perfect Day3:43
Pulp – Mile End4:30
Bedrock featuring KYO – For What You Dream Of6:24
Elastica – 2:12:32
Leftfield – A Final Hit3:15
Underworld – Born Slippy9:43
Damon Albarn – Closet Romantic3:08