Manchmal ist ein Sahnehäubchen auch für einen selbst. Eine Reise in die eigene Vergangenheit. Etwas Erinnerungswürdiges im vergilbten, kognitiven Fotoalbum. Emil und Jakob kramen ein altes Bild aus und halten es mir unter die Nase. Was habe ich Roxette verehrt, vergöttert und bejubelt. Zwischen zehn und dreizehn. Als ich zum ersten Mal The Look im Radio hörte war ich sofort hin und weg. Gitarrenpop. Obwohl ich nie sicher war, ob Per Gessles Gitarre wirklich angeschlossen war. Mein großer Bruder nutzte meine kindliche Naivität bei The Look schamlos aus. “Am besten nimmst du dir das Lied aus dem Radio auf. Roxette wirst du nicht mehr lange hören. Die kommen aus der DDR.”. In einer Art Überheroisierung meines Bruders hatte ich keinen Zweifel daran. Als ich bei der Veröffentlichung des Nachfolgers Joyride zwei Jahre später genauer aufpasste, gab es Keile. Oder waren Roxette nach dem Mauerfall nach Schweden übergesiedelt?
Austauschstudent
Per Gessle und Marie Fredriksson treffen sich Ende der 1970er-Jahre in Halmstad, Schweden, als Mitglieder zwei verschiedener Bands. Gessle komponiert und schreibt für Gyllene Tyder, seinerzeit eine der bekanntesten Bands in Schweden. Fredriksson verdient ihr Geld als Background-Sängerin. Beide schätzen ihre Arbeit gegenseitig und Gessle hilft Fredriksson bei ihren ersten Soloalben. 1984 pausiert Gessle Gyllene Tyder auf unbestimmte Zeit, woraufhin die Plattenfirma vorschlägt, beide sollten gemeinsam singen. Sie produzieren unter ihrem neuen Namen Roxette eine erste englischsprachige Single, die in die schwedischen Top Ten aufsteigt. 1986 erscheint ihr Debütalbum Pearls Of Passion, welches in Schweden ordentliche Verkaufszahlen erreicht.
1988 erscheinen die ersten beiden Singles ihres Nachfolgealbums Look Sharp!. Beide Songs, wie das Album, sorgen in Schweden für Aufsehen. International ist Roxette hingegen nicht existent. The Look erscheint als dritte Single des Albums und erreicht ebenfalls Spitzenpositionen in den schwedischen Charts. Der amerikanische Austauschstudent Dean Cushman ist begeistert und nimmt eine Kopie von Look Sharp! mit in seine Heimat Minneapolis. Dort übergibt er das Band einem örtlichen Radiosender, der den Song in sein Programm aufnimmt. Die Resonanz ist überwältigend, The Look schafft es landesweit in das Programm weiterer Radiosender. Im April 1989 steht er auf Platz #1 der amerikanischen Billboard Charts und nimmt diese Position in 24 weiteren Ländern ein.
Arbeiter- und Bauernstaat
Am Ende ist Look Sharp! mit neun Millionen verkauften Exemplaren eines der erfolgreichsten Alben der 1980er-Jahre. Dank eines Austauschstudenten. Und fast dreißig Jahre später findet der Song Zugang zu zwei Siebenjährigen, denen ich (leider) nicht mehr erzählen kann, dass Roxette aus einem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat stammen. Aber der Kreis schließt sich. Ich bin gespannt, ob die “Schwedenwochen” bei den Sahnehäubchen in der nächsten Woche eine Fortsetzung finden.
Unnützes Kneipenwissen I: Der Name “Roxette” entstammt dem Titel eines Dr. Feelgood-Songs aus dem Jahre 1975.
Unnützes Kneipenwissen II: Die Plattenfirma EMI befand Roxette für “nicht tauglich für den amerikanischen Musikmarkt”. So besaß die Band keine gültigen Verträge für Promotion und Vertrieb in den USA. The Look enterte die Top 50, ohne dass eine Platte oder Werbung auf dem Markt war.
Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.
12. April 2018 um 7:46 Uhr
Nananana. Hat sie nun den Blick oder doch das Aussehen, anyway, erstaunlicher Durchbruch für das Schwedenduo?
12. April 2018 um 7:49 Uhr
Die ersten zwei Zeilen sind einfach nur aneinander parlierte Phrasen… Gibt gar kein Sinn… Hat trotzdem gereicht 🤣🤣🙈🙈
12. April 2018 um 8:16 Uhr
Oh ja, Roxette! Einmal tatsächlich live erlebt und mein persönliches Highlight dieses Konzerts war dieser Song 🙂
12. April 2018 um 8:16 Uhr
Yay! Danke für den kleinen Bericht. 🙋♂️😊
12. April 2018 um 8:23 Uhr
Roxette oder der Beginn meiner Schwäche für schwedische Musik. Eine der wenigen Bands, bei denen ich fast alles hören kann. The Look ist einfach der genialste Pop-Rocker, den es gibt. Da ist es egal, dass der Songtext der schlechteste sei, den Gessle je geschrieben hätte.
12. April 2018 um 8:24 Uhr
🤣… Musste halt schnell was fertig werden… 🙈
12. April 2018 um 8:32 Uhr
Hach, was habe ich diese Band Ende der 80er und Anfang der 90er rauf und runter gehört, so etwa bis “Crash!Boom!Bang!”.
Rückblickend haben sich die Beiden aber in gut 20 Jahren musikalisch null bewegt. 🙂 Ich glaube, wenn man fünf Songs von “Look Sharp!”, “Crash!Boom!Bang!” und “Charm School” nimmt und willkürlich neu verteilt, würde es nicht auffallen. 😉
12. April 2018 um 8:45 Uhr
… Und nicht zu vergessen “Joyride”… Da hatte ich damals echt Angst, dass das Band von der Kassette reißt… 🤣
12. April 2018 um 11:47 Uhr
Dem würde ich widersprechen, denn es gab schon musikalische Entwicklungen. Ende der Neunziger und jetzt wieder mehr elektronische Einflüsse, aber dir großen Roxettesongs waren in der Phase von Look Sharp bis Crash Boom Bang. Vielleicht kann man noch Wish I could fly und den Comebacker She’s got nothing on dazu rechnen.
12. April 2018 um 11:50 Uhr
Es haben sich beide bewegt, Roxette und die Zeit. 😉… Vielleicht der eine etwas schneller als der andere… 🤣
12. April 2018 um 11:55 Uhr
Dem wiederum möchte ich gar nicht mal widersprechen, denn wenn man die Songs genauer unter die Lupe nimmt, kann man vielleicht zu diesem Schluss kommen. Aber für mich persönlich klangen sie halt immer irgendwie gleich. Dabei erwarte ich auch nicht, dass Roxette jetzt plötzlich Alternative Rock oder Death Metal machen, aber ich könnte, wenn ich nicht um den Entstehungszeitpunkt wüsste, nicht sagen, ob ein Song eher in der Früh- oder der Spätphase der Band entstanden ist.
12. April 2018 um 11:58 Uhr
Vielleicht im Bereich der Produktion… Ich würde sagen, der Pop hat sich geändert… Jedenfalls haben und hatten Roxette immer einen hohen Wiedererkennungswert.. 😉😊
12. April 2018 um 11:59 Uhr
Klar, da ist Roxette sicher ein Paradebeispiel. Wobei man zumindest bei den Hits sagen kann, dass sie zeitlos sind. Die hören glaube ich viele heute noch gerne.
14. April 2018 um 9:53 Uhr
Hach nee. Abba-Verdikt. Völlig. Ob Ace of Base, Roxette, oder what ever. Wenns kein Death Metal ist, dann geht nix aus Schweden: Dancing kwiiiieeeeen-kennjuhierdefrummsfernandooooo-tschikitietaaaa-Dauerschaden meinerseits. Ab in die Tonne damit.
Aber ne schöne Geschichte isses trotzdem mit dieser “DDR-Band”!
14. April 2018 um 9:54 Uhr
Danke 😊… Is mir wichtig und hab an dich gedacht! 🤣… Ace of Base??? Hmmm… 🤔🤔👌🤣
14. April 2018 um 10:24 Uhr
Übrigens: Das 1.Mal hörte ich “The look” im Bus auf einer eigenartigen Dienstreise September 1989. Unsere Chefs hatten beschlossen, die Belegschaft zur NVA zu karren, die bei Nauen gerade für die Parade zum Republiksgeburtstag (dem bekanntlich letzten) übte: Schöne Pressefotos sollten rauskommen: Schulterschluss “unserer Betriebe” mit der NVA usw. Im Bus auf der Hinfahrt nur EIN Thema: Sopron/Ungarn, das Grenzfest von vor ein paar Tagen, die Massenflucht, die seitherigen Fluchtzahlen… und dazu Nanana-nanana-Roxette aus der Busbeschallung. Also bissl DDR steckt da schon drin. 🙂 So historisch betrachtet.
14. April 2018 um 10:27 Uhr
Wie geil!!! 🤣🤣… “Den Sozialismus in seinem Lauf…”… Ja ja, die 40 wurde nochmal ordentlich gefeiert… 😊
24. April 2018 um 19:48 Uhr
Die “Look Sharp!” steht auch in meinem Plattenregal. Ich bin einer von neun Millionen. 🙂