Seid ihr regelmäßige Kinogänger? Ja? War ich auch einmal. Um genau zu sagen, bevor die Jungs auf die Welt kamen. Kurz nach ihrer Geburt war ich nicht in der Lage, einem Bewegtbild von 90 Minuten Länge aufmerksam zu folgen ohne einzuschlafen. Als mein Körper sich wieder daran gewöhnt hatte, hat sich die Zeit versteckt. Früher war ich ein regelmäßiger Kinogänger. Kein Blockbuster der 90er und 00er Jahre ohne mich! Heute wähle ich Filme selektiv und freue mich, bewusst in Vorstellungen zu gehen, bei denen ich im Vorfeld höchstens die Rahmenhandlung wahrnehme. Um so einen Film geht es heute. Beim Betreten des Kinos wusste ich nur, dass die Handlung in Irland spielt und es um Musik geht. Beim Verlassen des Kinos war ich … einfach glücklich und höchst amüsiert. Jeder der Musik liebt, ein Faible für die 80er hat und sich für eine Coming of Age-Story begeistern kann, muss Sing Street sehen.
Sympathischer geht nicht
Die Handlung ist schnell umrissen. Frühe 80er-Jahre: Irland steckt im Zuge der Thatcherisierung in einer schlimmen wirtschaftlichen Rezession. Der junge Protagonist muss die Schule wechseln, da der Vater seinen Job verliert. Zudem läuft die Ehe schlecht. Der Junge trifft in der neuen Schule ein Mädchen und will sie beeindrucken. Er gründet eine Schülerband ohne musikalische Vorerfahrung und lässt sie in selbstgemachten Musikvideos mitspielen. Danach nimmt alles seinen Lauf.
Sing Street ist so unglaublich lebensbejahend, dass er von Minute eins an gute Laune verbreitet. Der Soundtrack spielt sich durch die erste Hälfte der 80er-Jahre und bringt Songs von Motörhead, Duran Duran, The Jam und The Cure zusammen. Zeitgleich greifen die Songs der Filmband (alles Amateure!) die verschiedenen Musikstile der Zeit auf (New Wave, Synthpop, New Romantic) und liefern Ohrwürmer. Der Cast aus ausschließlich britischen Schauspielern ist hervorragend besetzt. Vor allem die Proben und die selbstgedrehten Musikvideos der fiktiven Band “Sing Street” sind herzerwärmend und führen zu regelmäßigen Lachattacken.
Mach’s besser
Ohne zu viel zu verraten, ist für mich das eigentliche Kernthema des Films der große Bruder des Protagonisten. Sein eigenes Leben verbockt, zu viele falsche Entscheidungen getroffen und falsche Türen geöffnet, versucht er seinem kleinen Bruder zu helfen es besser zu machen. Und vermittelt ihm, die aus seiner Sicht, richtige Attitüde zur Musik. Jack Reynor spielt diese Rolle als großer Bruder ganz wunderbar. Für mich, der selbst über seine großen Brüder sehr viel Musik vermittelt bekam und dafür sehr, sehr dankbar ist, eine beeindruckende Hommage ans Erwachsen werden. Wenn ihr Musik liebt schaut unbedingt Sing Street. Ich verspreche euch ein Lächeln wenn der Abspann läuft.
P.S.: Der Film ist auf Amazon Prime kostenlos verfügbar.
Unnützes Kneipenwissen I: Die Rolle des Vaters Robert spielt der irische Schauspieler Aiden Gillen, wohl jedem bekannt als Petyr “Kleinfinger” Baelish aus “Game Of Thrones“.
Unnützes Kneipenwissen II: Der Film war 2017 für den Golden Globe in der Kategorie “Bester Film – Komödie/Musical” nominiert. Der Soundtrack stieg bis auf Platz 12 der amerikanischen Billboard Charts.
Begegnen dir auch Sahnestücke, die dich erheitern oder staunend zurücklassen? Was hat dich zum Lachen gebracht? Was hat dich beeindruckt? Erzähle es mir, ich freue mich sehr über neue Entdeckungen und Stilblüten. Schreibe mir unter Kontakt einfach mit einem kurzen “Hallo” und bestenfalls einem Link zu deinem Sahnestück. Gerne halte ich freitags einen Podestplatz für dich frei!
1. Dezember 2017 um 8:11 Uhr
Ich gestehe: Ich habe den FIlm immer noch nicht gesehen. :O Wird nachgeholt!
1. Dezember 2017 um 18:38 Uhr
Meine Liebe, mit Verlaub, sie sind ein Nödel… 🤣… Dann hopp, hopp 😊
1. Dezember 2017 um 18:49 Uhr
Ein was bitte? 😄
1. Dezember 2017 um 19:11 Uhr
Ein Knödel ohne K… (und jetzt: interpretatorischer Freiraum) 🤣
1. Dezember 2017 um 22:29 Uhr
Ich kenne den Film auch, er ist wirklich schön. Deiner Interpretation was den älteren Bruder angeht, kann ich nur zustimmen, ich meine auch mich zu erinnern, dass die Widmung des Films „For brothers everywhere“ lautet. Eine schöne Geste, wie ich finde, schließlich ist der Bruder nicht die offizielle Hauptfigur.
1. Dezember 2017 um 22:30 Uhr
Oh ja, da hast du recht… Vielleicht ist es gerade so schön, da es auf den ersten Blick nicht das Kernthema ist… 😊
1. Dezember 2017 um 22:40 Uhr
Ja, das stimmt. Es ist sowieso immer am besten, wenn Filmemacher nicht gleich mit ihrer Moralvorstellung die Tür eintreten, sondern sie auf subtilere Weise durchblicken lassen.
1. Dezember 2017 um 22:51 Uhr
Absolut… Dahingehend war der Film wirklich eine sehr schöne Überraschung… 😊
25. Dezember 2017 um 10:20 Uhr
John Carney weiß, wie man Wohlfühlfilme dreht…