Die ersten Sonnenstrahlen sind da. Und mit ihnen das Gefühl der Leichtigkeit, der Unbeschwertheit und der Lust. Eine Lust, alles von ich zu werfen und ohne Ballast durchzustarten. Sei es die Kälte, die dicken Klamotten oder unnötige Sorgen des Alltags. Weg damit! Jetzt geht’s richtig los. Als ich vor 17 Jahren mein Studium nach einer dreijährigen Berufsausbildung begann, hatte ich dieses Gefühl äußerst intensiv. Hinzu kamen neue Freunde (von denen heute noch viele mein Leben bereichern), ein neuer Lebensfokus sowie ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit. Wochentage verschwammen, Zeit wurde relativ. Ein bisschen, wie in meiner aktuellen Selbstständigkeit. Natürlich mit mehr Verantwortung. Aber jeder Tag ist anders und es ergeben sich viele Chancen. Dazu lege ich heute eine Platte auf, die das Synonym für Sorgenfreiheit perfekt vertont. Die Dave Matthews Band tritt mit einem Fuß in den Mainstream. Everyday.

Aus den Pötten

In Amerika erfolgsverwöhnte Superstars, in Europa ein Leben im Nischendasein. Mit Brot und Wasser. Kaum ein amerikanischer Musikliebhaber, der die Dave Matthews Band nicht kennt und schätzt. Während hierzulande Achselzucken und Nachfragen den Dialog über die Band aus Charlottesville, Virginia bestimmen. Das Quintett um Singer-Songwriter und Gitarrist Dave Matthews gründet sich 1991 unter klassischen Vorzeichen. Schüchterner Barkeeper (Dave Matthews) trifft auf musikverrückten Rechtsanwalt (Ross Hoffman), der ihn überredet, sich eine Band zu suchen um Songs aufzunehmen. Da Matthews keine rechte Eigeninitiative an den Tag legt, macht ihn Hoffman mit einigen Musikern aus der Jazzszene Charlottesville bekannt.  Carter Beauford (Drums) und LeRoi Moore (Saxofon) gefallen die Demoaufnahmen Matthews und bilden mit ihm ein erstes Trio.

Sie basteln an den ersten Songs, merken allerdings schnell, dass ihre Ideen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten, kaum umzusetzen sind. Über einen befreundeten Musikprofessor treffen sie Stefan Lessard, einen erst siebzehnjährigen Bassisten, der bei den ersten Studioaufnahmen aushilft. Die Chemie zwischen den Vieren stimmt auf Anhieb. So entscheiden Sie, in dieser Konstellation erste kleine Auftritte zu spielen.  Ein Jahr später komplettiert Violinist Boyd Tinsley das finale Line-Up und gibt der Dave Matthews Band ihren sprichwörtlichen Sinn. Wie der Name zustande kommt, ist nicht überliefert. Eine Geschichte erzählt, dass im Zuge eines Auftritts, Boyd Tinsley aus Mangel an Originalität “Dave Matthews Band” auf eine Anmeldung schreibt. Dabei bleibt es. 1994 erscheint das Debütalbum der Dave Matthews Band: Under The Table And Dreaming.

Mitschneiden erlaubt

Mit ihrer Mischung aus Alternative Rock und Elementen des Jazz erspielen sie sich schnell nationale Bekanntheit. Die Band erlaubt, das Zuschauer ihre Konzerte mitschneiden und diese auf Tapes vervielfältigen. So viel Nähe schafft Reichweite. Ihr zweites Album, Crash, bringt die ersten Hits und nebenbei, 1996, den ersten Grammy (Best Rock Performance). Kritiker lieben die Band und ihre schier grenzenlosen Möglichkeiten im Songwriting. Ihre Kredibilität und Popularität gipfeln im dritten Album, Before Theses Crowded Streets. Auf dieser Sahneplatte dauert kein Song weniger als fünf Minuten, dennoch ist das Album ein kommerzieller Erfolg. Die Dave Matthews Band wagt die ersten Sprünge nach Europa, ohne dort die gleiche Begeisterung zu entfachen wie in den Staaten.

Anfang 2000 richtet die Band außerhalb Charlottesville ihr eigenes Aufnahmestudio ein und beginnt mit der Arbeit am vierten Studioalbum. In den Staaten mittlerweile etabliert, geben sich prominente Gastmusiker die Ehre, wie beispielsweise Carlos Santana. Dave Matthews zieht zur Produktion, auf Anraten der Plattenfirma, Glen Ballard hinzu. Dieser sammelte Produktionsehren bei Alanis Morissette, No Doubt und Aerosmith. Dadurch ändert sich das Songbild auf der neuen Platte signifikant. Die Stücke sind mehr Pop als Jazz und dauern nicht mehr länger als viereinhalb Minuten. Dadurch gewinnt das Album deutlich an Radiopräsenz und gibt der Band einen enormen Popularitätsschub. Everyday erscheint im Februar 2001.

Kloß im Hals

Die Songs des Albums sind eingängig und eine gute Wahl für ein erstes Kennenlernen der Dave Matthews Band. I Did It lässt zu Beginn die Brust anschwellen und setzt den ersten Motivationsschub. Ein Lied zum Fenster auf- und Bäume ausreißen. Auf Everyday zeigen die Songs eine traditionelle Struktur. Nicht zu lange, nicht zu verspielt. When The World Ends nimmt den Hörer lässig an die Hand und zeigt, was hinter dem Abgrund wartet. The Space Between ist eine typische Alternative-Ballade der Jahrtausendwende, welche der Band immense Radio-, TV- und Chartpräsenz bescherte. Kennt noch jemand die “Alternative Moments”-Sampler aus der Zeit? Typisch dafür. Das Album bleibt abwechslungsreich und eingängig. Entwickelt sich die Schönheit der Vorgänger nach mehrmaligen Hören, so hält sich Everyday nicht mit Experimenten auf. Weitere Höhepunkte sind das leicht mystische What You Are, das in sich ruhende Fool To Think sowie der freundlich-warme “Rausschmeißer” Everyday.

Mit Everyday schuf die Dave Matthews Band eine Kontroverse. Von den Kritikern (zurecht?) nicht gerade innig geliebt und von den Fans, ob der Öffnung zum Mainstream, mit einem Kloß im Hals begleitet. Eine Platte, die nach den ersten drei Werken Diskussionen auslöste und Fragezeichen zurückließ. Ich stehe dazu, Everday zu lieben. Warum? Die Platte bietet einen guten und einfachen Zugang zur Band und ist problemlos aus einem Guss zu hören. Andererseits entdeckte ich sie in einer Zeit des Aufbruchs und der Sorgenfreiheit. Dazu liefert sie einen wunderbaren Soundtrack. Die Dave Matthews Band ist fantastisch, auch wenn sie in Europa nie den großen Erfolg erlebte. Im Sommer 2018 erscheint ihr neuntes Studioalbum und es stehen einige Konzerte in Europa an. Ich bin gespannt.

Unnützes Kneipenwissen I: Everyday ist geprägt vom Wechsel weg vom Stammproduzenten Steve Lillywhite, hin zu Glen Ballard. Bevor Matthews und Ballard die Songs des Albums aufnahmen, hatte die Band in den beiden Vorjahren bereits über 20 Songs mit Lillywhite aufgenommen, von denen keiner auf das finale Album kam. Nach Veröffentlichung von Everyday wurden die ursprünglichen Songs auf Napster geleaked. So entstand ein inoffizielles Bootleg mit dem Namen The Lillywhite Sessions, mit zwölf Songs der Aufnahmen. Fans der Band waren so begeistert, dass die Band entschied, Songs aus den Sessions für ihr Nachfolgealbum Busted Stuff neu aufzunehmen.

Unnützes Kneipenwissen II: Saxofonist und Gründungsmitglied LeRoi Moore starb 2008 im Alter von 46 Jahren an den Folgen eines Quad-Unfalls.

… und …

Unnützes Kneipenwissen III: Dave Matthews wurde in Südafrika geboren und zog nach zwei Jahren mit seinen Eltern nach Virginia. Mit 13 zogen er und seine Familie zurück nach Südafrika, wo er weitere fünf Jahre lebte. Als großer Gegner der Apartheid, weigerte er sich mit 18 den Militärdienst in Südafrika anzutreten, weswegen er zurück in die USA zog. Beide Kulturen haben seine Ansichten zu sozialer Gerechtigkeit und Rassismus stark beeinflusst.

 

Anspielltipps: I Did It, What You Are, Everyday, When The World Ends

 


Wenn euch die Sahneplatte gefällt, schaut doch in der Plattenkiste vorbei. Da gibt es noch weitere hervorragende Alben und spannende Geschichten.



 

Dave Matthews Band – Everyday

Genre:Rock
Stil:Alternative Rock, Pop Rock, Jazz Fusion
Jahr:2001
Anzahl Titel:12
Laufzeit:51:00

Tracklist

I Did It3:36
When the World Ends3:32
The Space Between4:03
Dreams of Our Fathers4:41
So Right4:41
If I Had It All4:03
What You Are4:33
Angel3:58
Fool to Think4:14
Sleep to Dream Her4:25
Mother Father4:24
Everyday4:43