Ja, die Zwillinge werden älter. Und selbstbestimmter. Mittlerweile achtjährig, fließen sie durch die aktuellen Landschaften des Radio-Pops. Im schlimmsten Fall reden sie mit anderen Kindern über Musik und kommen mit überhaupt nicht zauberhaften Stilblüten nach Hause. Nur weil andere Familien ihren musikalischen Bildungsauftrag nicht im Griff haben, muss ich doch nicht meinen jahrelangen Einfluss schwinden sehen! Kurz nicht aufgepasst, haste Kay One in der Playlist. Samt onlinemarketingtechnischem Retargeting. So dass dein Browser dir pausenlos die neuen Prachtsongs des Ausnahmekünstlers in die Augen quatscht. Die Lochis? Marcus & Martinus? Zwillinge unter sich. Dazu, von der Rückbank, stets der fragende Ausdruck nach den ersten angespielten Tönen: „Gefällt dir das Papa?“. „NEIN!!!“ Hier wird nichts beschönigt. Als ich letztens eine solche Frage bejahen konnte, erfüllte ein ehrfürchtiges Schweigen den Raum. Martin Gore spielt in F-Moll und Dave Gahan setzt mit seinem Bariton ein. Depeche Mode. Personal Jesus.
“Reach out and touch faith”
1989 erreichen Depeche Mode ihren kommerziellen und künstlerischen Höhepunkt. Neun Jahre nach ihrer Gründung und sechs Studioalben später füllen sie erstmals Stadien. In den USA spielen sie am 18. Juni 1988 im Rose Bowl Stadium in Pasadena vor über 70.000 Zuschauern. Als Synth-Pop-Band aus Europa. Unvorstellbar. Empfehlenswert sei an dieser Stelle die Dokumentation 101 von D. A. Pennebaker, die behutsam und etwas skuril jene Junitage rund um das Konzert portraitiert. Depeche Mode aber drängen auf musikalische Weiterentwicklung. Die US-Tour zum Album Music For The Masses 1987/88 prägt vor allem Songwriter Martin Gore. Bluesrock. Erstmals halten akustische Gitarren prägenden Einzug in die Arrangements aus Synthesizern und Keyboards.
Noch bevor das Album Violator 1990 die Musikwelt endgültig von Depeche Mode überzeugt, erscheint im August 1989 die erste Single Personal Jesus. Und bricht mit allem was die Band bis dato veröffentlichte. Eine dermaßen dominante Gitarre ließ Hörer ungläubig aufs Plattencover starren. Die Refrainreplik „Reach out and touch faith“ als Schlachtruf für alle kommenden Konzerte. Der Song groovt regelrecht, dank Riff und stampfenden Drums. Personal Jesus rollt den roten Teppich aus, auf dem Violator wenig später die Musikwelt vereinnahmt. Song und Album als höchste Kulturgüter des ausgehenden Jahrzehnts.
Zartes Pflänzchen
Ich bin froh, dass die subjektive Beeinträchtigung meiner Präferenzen Früchte zeigt. Zumindest hier und da. Was Depeche Mode für mich und meine musikalische Sozialisation bedeutet, habe ich bereits im Zuge der Sahneplatte Song Of Faith And Devotion erwähnt. Umso schöner, wenn es derzeit die kleinen Pflänzchen sind, die erhaltenswert scheinen. Inmitten der YouTube- und Instagram-Druckwellen, die Heranwachsenden keine andere Wahl lassen, als sich reinzuwerfen. Reach out and touch faith.
Unnützes Kneipenwissen I: Pate für den Song stand eine Autobiographie von Pricilla Presley “Elvis and me”. Martin Gore spricht von “being a jesus for somebody else”. Genau das, was Priscilla Presley gegenüber ihrem Mann empfand.
Unnützes Kneipenwissen II: Das Musikvideo im Western-Stil wurde in Almeria, Spanien gedreht.
Mit einem Ohr offen begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.
24. Januar 2019 um 7:52 Uhr
Depeche Mode ist schon Klasse. An “Personal Jesus” gefällt mir die Tatsache, dass man irgendwie raushört, dass es ein Shuffle ist und es ist irgendwie ungewöhnlich dafür klingt. Super Song, dominanter Rhythmus, starke Gitarren, auch wenn ich eher bei den früheren Sachen von ihnen bin.
24. Januar 2019 um 8:04 Uhr
Oh ja, ich habe in den 90ern auch lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass es keine Zeit mehr für die reinen Synth-Pop-Nummern ist. Personal Jesus ist grandios, lediglich übertroffen von Enjoy the Silence.
Zeigt auch schon, wie oft der Song gecovert wurde (großartig von Johnny Cash!). Und Depeche Mode-Cover sind oftmals … na ja 🙂
24. Januar 2019 um 8:07 Uhr
Wer zum Geier sind Marcus und Martinus? 🙂
24. Januar 2019 um 8:08 Uhr
Zwillinge … mehr Infos brauchste nicht. … Der arme Geier. 😀
24. Januar 2019 um 8:44 Uhr
Schlachtruf: stimmt!
Danke fürs Erinnern.
Vergnügte Grüße
Christiane 😀😺
24. Januar 2019 um 8:53 Uhr
Jaaaaaahhaaaaaa Christiane … Ab geht’s! 😉
24. Januar 2019 um 16:32 Uhr
Joooooo. Ich oute mich: Das gefiel mir auch. Die Nina Hagen Version ist mir lieber, dann bleibt mein Haushalt DeMo-Freie Zone.
Irgendwie sind doch Depeche Mode sowas wie “Einstürzende Neubauten für Mädchen.”
Das mit dem Musikgeschmack der eigenen Kinder – da saaachste watt: Da ertappt man sich dann bei Zitaten der Vorfahren. Waren Slade anno’74 wirklich in den Ohren ehemaliger HJler (also “unserer Väter”) so scheiße, wie das ganze Knastgerotze irgendwelcher selbsternannter Gangster-Rapper oder das Gewinsel der Gegenfraktion, der entmannten ewigen Abiturientlein heute in meinen?
Look at the bangin’ man he says
He can time after time
He’ll get down
Down
Down
To bangin’ back home.