An Sahnehäubchen mangelt es derzeit wahrlich nicht. Wie in der Vorwoche erwähnt, haben Emil und Jakob dank des Animationsfilms Sing ein ganze Playlist an neuen Songs parat. Da fällt es mir leicht, die nächsten Wochen mit interessantem Bildungscontent aufzuwarten. Heute also Elton John. Gefühlte 50 Jahre Musikkarriere (in Wahrheit sind es 55). Immer da und immer britisch. Der erste Mensch, der mir gegenüber Homosexualität verkörperte. Boy George war irgendetwas anderes. Nun gut, all das ist für Emil und Jakob nicht relevant und den echten Elton John haben sie bis jetzt kaum wahrgenommen. Woher auch. Neulich kündigte er seine letzte Tournee an. Danach soll Schluss sein. Wer setzt sich denn dann ans Klavier?

Sand am Meer

Reginald Kenneth Dwight, wie Sir Elton Hercules John mit bürgerlichem Namen heißt, erblickt 1947 in Pinner, Middlesex das Licht der Welt. Mit 15 beginnt er regelmäßig in Pubs Klavier zu spielen uns startet mit diesen Kleinstverdiensten seine Musikkarriere. Bereits in diesen Anfangsjahren schreibt er eigene Songs und begleitet amerikanische R&B- und Soulbands als Livepianist. 1969 veröffentlicht er sein Debütalbum, ein Jahr später wird die Single Your Song sein erster Meilenstein. Das Stück verschafft Elton John Popularität auf beiden Seiten des Atlantiks. Seine Klaviermusik basierend auf Blues und Soul führt ihn im Laufe der 1970er-Jahre zu Weltruhm (Rocket Man, Crocodile Rock). Als zu Beginn des Folgejahrzehnt elektronische Musik um New Wave, Post-Punk und New Romantic dominiert, wird es ruhiger um ihn. Die Hits bleiben aus. Kritiker sind sich nicht sicher, ob er dem musikalischen Wandel standhält.

1983 veröffentlicht Elton John das Album Too Low For Zero und setzt damit bewusst auf eingängige Popsongs. Die zweite Singleauskopplung I’m Still Standing ist seine Trotzreaktion auf das Zweifeln an seiner musikalischen Integrität.

“Too Low For Zero is my reaction to still being relevant and successful in the early 1980’s, post-Punk and with the New-Romantics creeping in.”
– Elton John

Der Song zündet mit seiner beschwingten Interpretation und beendet eine jahrelange Durststrecke an kommerziellem Erfolg. Das Video ist eine “Augenweide” voller 80er-Charme und cineastischer Würze. Die Zutaten haben es in sich: extrovertierter Brite, provokante Klamotte, Côte d’Azur, sexuell angehaucht, sinnbefreit. Ja, wer achtet da noch auf faustgeballte Durchhalteparolen? Er hat’s noch drauf.

Relikt

I’m Still Standing ist mir bestens bekannt, zierte doch die 45”-Single die Plattensammlung meiner Brüder. Auch in der Jukebox des örtlichen Eiscafés war diese Perle für 50 Pfennig in Mono-Qualität zu genießen. Schöne, alte Zeit. Emil und Jakob ist die Eisdiele bekannt, es gibt sie heute noch. Die Jukebox ist schon lange weg. Elton John ist noch da. Der Song schwingt sich heute noch durchs Gute-Laune-Radio. Für mich ist Elton John am besten, wenn er am Klavier die Handbremse löst. Dass er ein hervorragender Songwriter ist, ist unbestritten. Wir dürfen gespannt sein, wie lange er noch möchte.

Unnützes Kneipenwissen I: Der Regisseur des Videos, Russell Mulcahy, bezeichnete das Video als “super, super gay”. Gut, dass er es nochmal gesagt hat …

Unnützes Kneipenwissen II: Bruno Tonioli ist Juror der ersten Stunde bei Dancing With The Stars, dem amerikanischen Pendant zum hiesigen Let’s Dance. Seine Leiche im Keller, ihr ahnt es, seine Rolle als Tänzer im Video zu I’m Still Standing. Damit nicht genug, die kleine schwarze Trikotage ist ein Fall für die Tanzgewerkschaft. Großer Gott!

 


 Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.