Um mich vorweg klar zu positionieren: ich mag den Eurovision Song Contest! So. Ich habe ihn gemocht, da hieß er noch nonchalant “Grand Prix Eurovision de la Chanson”. Jedes Frühjahr war er Bestandteil meines kindlich-patriotischen Kosmos. Sogar bevor ich den Fußball entdeckte. Nun ja. Was gibt es schöneres, als wenn sich Musik und Inszenierung mal nicht so ernst nehmen und sich der (deutsche) Zuschauer über mangelnde Sympathiewerte der eigenen Kultur aufregt? Außerdem birgt die ganze Veranstaltung für mich den Charme einer Olympiade gymnasialer Theater-AGs. Und Peter Urban als Kommentator ist großartig. Emil und Jakob haben noch keinen ESC miterlebt. Wir sollten das bald einführen. Der Jahrgang 2015 brachte Songs hervor, die bei den beiden im Nachhinein bleibende Erinnerung und Sympathie hervorrufen. 21 Jahre nach ABBA wieder was Schnuckeliges aus Schweden. Es blitzt und zuckt für sie, Måns Zelmerlöw. Heroes.
Let’s Dance
Die Geschichte von Måns Zelmerlöw ist keine umfangreiche. 1986 im schwedischen Lund geboren, Sohn eines Chirurgen und einer Logopädie-Professorin, besuchte in früher Kindheit eine Musikschule. Im Teenageralter hatte er erste Auftritte in Musicals, mit 19 würde er Fünfter bei der schwedischen Version von “Pop Idol”. im gleichen Jahr gewann er in Schweden “Let’s Dance” und festigte seinen Berufsweg mit Auftritten in weiteren Musicals. 2015 entschied er den schwedischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest für sich. Mit seinem Song Heroes trat Måns Zelmerlöw am 23. Mai 2015 zum Finale in Wien an und gewann mit 365 Punkten. Ein Jahr zuvor hatte er mit kontroversen Äußerungen zu Homosexualität im Rahmen einer schwedischen Kochshow Aufsehen erregt. Er sagte sinngemäß, Homosexualität sei “abweichend der Norm”, wofür er sich im Nachgang mehrfach entschuldigte. Er gab an, bei der Aussage stark angetrunken gewesen zu sein. Zahlreiche schwedische und schwulennahe Medien rehabilitierten ihn.
Kindlicher Patriotismus
Vor ein paar Tagen hatte ich die Gelegenheit, ein ausführliches Interview mit Måns Zelmerlöw auf SWR Radio zu hören. Dank einer Werbung für Kinder Schokolade, ist sein Song Happyland aktuell erfolgreich in den Charts. Er machte einen klaren, sympathischen Eindruck und teilte realistische Ansichten über seine Musik. Er spielte Heroes live und akustisch, was dem Song sehr gut stand. Ich war überrascht. Mal schauen was der Kerl in der nächsten Zeit auf die Beine stellt. Derweil plane ich den ersten ESC-Abend der Jungs. Und wie ich deren kindlichen Patriotismus in den Griff bekomme. Seit Stefan Raab sind die deutschen Beiträge allesamt grauenvoll. Auch dazu positioniere ich mich. Mal schauen, was im Mai in Lissabon passiert.
Unnützes Kneipenwissen I: Am 26. Dezember 2004 überlebten Måns Zelmerlöw und seine Familie den Tsunami im thailändischen Khao Lak.
Unnützes Kneipenwissen II: Vor allem Männer meiner Generation kennen und schätzen ihn. Gemeinsam mit Action-Darsteller (*hust*) Dolph Lundgren moderierte Måns Zelmerlöw 2010 den schwedischen Vorentscheid (“Melodifestivalen”) zum ESC. Da sollte ich direkt mal im Keller nach alten VHS-Kasetten suchen gehen.
Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.
5. April 2018 um 13:58 Uhr
Ich glaube das wird mein längster Kommentar bisher.
Erstmal generell zum ESC. Trotz meiner Jugend, mein erster ESC war mit Acht im Jahr 2006 habe ich eine Liebe zu diesen europäischen Wettbewerb entwickelt – und das obwohl für mein achtjähriges Ich seltsame gestalten aus Finnland gewonnen haben -, daher arbeite ich an einer Beitragsreihe zum ESC, bei der ich aber bisher immer die Pläne umschmeiße. Dieses Jahr ist nach mehrmaligen Hören der Beiträge ein sehr guter Jahrgang mit einigen Klasse Popsongs und dennoch einer großen Variabilität.
Zum Song und zu Mans: Ich fand den damals super, wollte unbedingt, dass er gewinnt. Die Bühnenshow war klasse und der Song ist exzellenter Dance-Pop. Die umstrittenen Äußerungen wurden unter anderem deswegen ausgegraben, um den Topfavoriten, der er schon von Veröffentlichung an war, zu stürzen. In der und jetzt muss ich aufpassen, wie ich das formuliere, ESC-Insiderszene, welche überproportional viele Homosexuelle hat, hat das sicher gewirkt. Deswegen und, weil er das Televoting nicht gewonnen hat, gilt sein Song manchen als unwürdiger Sieger. Für mich ist es mein Lieblingssiegsong, obwohl er ja angeblich ein Plagiat von David Guettas Lovers on the Sun sein soll. Den finde ich aber so furchtbar, dass ich den Vorwurf lächerlich finde.
Nach seinem Sieg haben sich viele ESC-Fans mit ihm ausgesöhnt, spätestens nach seiner in Zusammenspiel mit Petra Mede brillanter Moderation des ESC 2016. Abgesehen davon ist Mans ein sehr guter Sänger – gesanglich erinnert mich irgendwie an Robbie Williams – dessen Musik mir aber außer Heroes nicht so zusagt.