Die Zwillinge haben es derzeit nicht leicht. Nachdem sich bereits drei Lehrer in punkto Klassenverantwortung die Klinke in die Hand drückten, steht die vierte, und damit ein erneuter Personalwechsel, vor der Tür. Das alles in der ersten Klasse. An dieser Stelle erspare ich es mir lieber, meinen Unmut über das Schulsystem und das Handeln der verantwortlichen Schulleitung auszudrücken. Gerade in der Phase eines neuen Lebensabschnitts, in dem Verantwortung, Führung und klare (Spiel-)Regeln wichtig sind, herrscht Unwissenheit, Unsicherheit und permanenter Adaptionszwang. Für einen Siebenjährigen ist es nicht leicht zu verstehen, dass ihn (mal wieder) die Bezugsperson verlässt und das der Grund nicht bei ihm liegt. Aus diesem Grunde geben sich Emil und Jakob derzeit, sagen wir, emotional unausgeglichen. Was auch das häusliche Miteinander nicht gerade vereinfacht. Nun gut. Es ist Frühling, die Temperatur steigt und die Natur zeigt ihr schönes Gesicht. Hören wir alle gemeinsam was Positives. Die Zwillinge entdecken Morcheeba.

“Greenwich Mean Time”

Morcheeba ist das Synonym einer unterschätzten Band. Irgendwo schon mal gelesen. Irgendwann schon mal gehört. In einer Bar? Oder in einem Club? In der breiten Wahrnehmung besteht Morcheeba aus ihrer Sängerin Skye Edwards, die in Präsenz und Gesang Künstlern wie Sade oder Beth Gibbons (Portishead) ähnelt. In Wirklichkeit ist Morcheeba eine dreiköpfige Band, bei der hinter Edwards die Brüder Ross und Paul Godfrey die Fäden ziehen. Paul ist klassischer DJ, der die Bereiche Arrangement, Produktion und Scratching führt. Ross ist ein klassischer Multiinstrumentalist, spielt ein Dutzend Instrumente und bringt sein Repertoire großzügig in die Songs ein. Anfang der 1990er-Jahre treffen die Brüder auf einer Party in Greenwich, London auf Edwards und beschließen, gemeinsam eine Band zu gründen. Zu Beginn orientieren sie sich am Trip-Hop und Downtempo ihrer Vorbilder Massive Attack. Etwas melancholisch, ein bisschen nachdenklich.

Ihr Debütalbum Who Can You Trust?, welches die Band in Eigenregie produziert und aufnimmt, erscheint 1996. Für Konzerte holen sich Morcheeba die Unterstützung mehrerer Livemusiker. Die Aufnahmen zum zweiten Album stehen im Zeichen höherer Qualität und mehr Professionalität. Die Songs bekommen mehr Luft und mehr Freundlichkeit. Der Sound orientiert sich Richtung Pop. Big Calm erscheint 1998 und verhilft Morcheeba zum internationalen Durchbruch. Kritik und Verkaufszahlen sind positiv. The Sea ist der entspannte Opener des Albums und glänzt durch Radiopräsenz. Ein Song der inneren Mitte, der nicht ganz die Perfektion der Songs von Portishead erreicht, aber absolut hörenswert ist und gute Laune macht.

Hauptsache positiv

Morcheeba veröffentlichen bis heute sechs weitere Studioalben, das neueste erscheint dieses Jahr. Skye Edwards verlässt die Band 2004, bis sie sich 2010 ihr erneut anschließt. 2014 trennt sich Paul Godfrey von der Gruppe, so dass Morcheeba derzeit als Duo unterwegs ist. Die Songs sind weiterhin wundervoll, die Entwicklung in Richtung eines positiven Sounds steht der Band in jedem Fall gut. Eine positive Entwicklung können Emil und Jakob derzeit gut gebrauchen. Drücken wir die Daumen, dass sie endlich die bildungsverantwortliche Bezugsperson bekommen die sie verdienen. Im Namen ihrer emotionalen Ausgeglichenheit.

Unnützes Kneipenwissen I: Der Name “Morcheeba” setzt sich aus den Bestandteilen “MOR” (englische Abkürzung für Middle Of The Road) und “cheeba” (Slangebgriff für Marihuana) zusammen.

Unnützes Kneipenwissen II: The Sea diente als Titelmelodie der britischen Reality TV-Show Shipwrecked.

 


 Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.