Unterhaltung. Bei Kindern ein Zauberwort. Es beginnt am Anfang des Lebenszyklus mit simplen Geräuschen oder verschobener Mimik. Gerade was der geschundene und ausgelaugte Elternkörper im neuen Tagesrhythmus zulässt. Wenig später kommt die Mobilität und einige Zeit darauf der Anspruch hinzu. „Was machen wir heute?“ „Wo fahren wir hin?“ Reichte früher noch eine zum reißenden Abenteuer hochstilisierte Fahrt zu Oma und Opa, fange ich mir heute bei den Zwillingen in präpubertierender Dankbarkeit leicht ein „Nee, kein Bock!“ ein. Gut, Kino und Schwimmbad sind Joker und ziehen immer. Bei jedem Wind und Wetter. Darüber hinaus muss der Mehrwert (generell „Spaß“) bei einer Aktivität für die Zwei deutlich ersichtlich sein. Fahrradtour? Nur wenn ordentlich Matsch dabei ist. Restaurantbesuch? Wenn es Pommes gibt. Es beginnen die Jahre, an deren Ende der Unterhaltungsanspruch kaum zu befriedigen ist. Ich lasse die Jungs mit Robbie Williams alleine. Soll der sich damit rumschlagen.

Aufgedunsen

Die Karriere des Robert Peter Williams aus Stoke-on-Trent ist meiner Generation vorwärts wie rückwärts ins Bewusstsein gebrannt. Im Juli 1995 verlässt er die omnipräsenteste Boygroup der damaligen Zeit, Take That, in einem katastrophalen physischen Zustand. Frustriert ob der Nichtbeachtung seiner musikalischen Ideen, ausgezehrt ob des kommerziellen Drucks und orientierungslos in seiner Drogenabhängigkeit. Mit gerade 21 Jahren hat er eine fünfjährige Musikkarriere hinter sich, die andere Künstler in 30 Jahren leben. Aufgrund von Vertragsdetails mit Take That ist es ihm nicht gestattet, eigene Musik zu veröffentlichen, bis sich die Band auflöst. Mit dem Ausstieg von Williams bröckelt die heile Welt von Take That, bis sie sich am 13. Februar 1996, an Williams 22. Geburtstag trennen. Und somit Robbie Williams, per Geburtstagsgeschenk, zu einem freien Mann machen.

Bis zu jenem Tag tingelt er durch Talkshows, Promipartys und Klatschpresse. Seine Erscheinung wirkt aufgedunsen, Alkohol- und Drogenmissbrauch hinterlassen Spuren. Besonders sichtbar ist sein körperlicher Zustand im Musikvideo zu seiner ersten Soloveröffentlichung. Im Cover zu George Michaels Freedom feiert Williams mit hochgereckter Faust seine Abkehr vom inszenierten Musikzirkus. Die Engländer haben eine Vorliebe für Leute aus ihrer Mitte, die ihre Schwächen ungefiltert in der Öffentlichkeit zeigen. So auch für Robbie Williams. Freedom steigt bis auf Platz #2 der britischen Charts. Anfang 1997 kommt es für Robbie Williams zu einer richtungsweisenden Begegnung, als er den Produzenten und Songwriter Guy Chambers kennenlernt. Williams, mehr Entertainer als begnadeter Musiker, beschließt, mit Chambers sein Soloalbum Life Thru A Lens aufzunehmen. Im Frühjahr 1997 geht es frisch ans Werk.

„Ich bin da, jetzt wird alles gut!“

Auf dem Album ist an Position #4 ein Titel platziert, der Robbie Williams über Nacht zu Weltruhm verhilft. Angels bleibt alleine in Großbritannien für 218 Wochen in den britischen Charts, davon 40 Wochen in den Top Ten. Eine allumarmende Hymne. Geliebt wie gehasst. Chambers besitzt ein außerordentliches Gespür für Popsongs und schreibt sie dem Entertainer Williams auf den Leib. Der Anheizer Let Me Entertain You, der jahrelang seine Konzerte eröffnet, ist auf Life Thru A Lens ungewöhnlich in der Mitte des Albums platziert. Die optimale Selbstvertonung von Williams, die breitbeinig und schnoddrig entgegenschreit „Ich bin da, jetzt wird alles gut“. Generell zeigt sich Robbie Williams auf seinem Debütalbum selbstbewusst und positiv. Auch körperlich ist er in deutlich besserer Verfassung.

Ja, der Robbie. Zusammen mit Guy Chambers, hat er mit den ersten fünf Studioalben alles abgeräumt und über 40 Millionen Platten verkauft. Unterhalten war und ist seine große Stärke. Immer mit dem spitzbübischen Lächeln des Arbeiterkindes aus Stoke-on-Trent. Am Ende hat er den harten Weg gewählt und alles richtiggemacht. Soll er sich doch um die wachsenden Ansprüche an Unterhaltung von Emil und Jakob kümmern. Let Me Entertain You funktioniert bei den Beiden schon mal.

Unnützes Kneipenwissen I: Robbie Williams ist nicht nur erfolgreichste Solokünstler in Großbritannien. Das ist ja obligatorisch. Nein, er ist zudem der erfolgreichste Solokünstler in Lateinamerika, der NICHT aus Lateinamerika stammt. Hola!

Unnützes Kneipenwissen II: Um dem Trubel zu seiner Person in Europa zu entkommen zieht Robbie Williams 2006 nach Los Angeles. Die USA sind erstaunlicherweise der einzige Musikmarkt, auf dem die Erfolge von Williams überschaubar sind (im weltweiten Vergleich). Demnach ist es ihm in Kalifornien möglich, ein vergleichsweise normales Leben zu führen. Seit 2010 ist er mit der amerikanischen Schauspielerin Ayda Field verheiratet. Gemeinsam hat das Paar eine Tochter (Theodora, *2012) und einen Sohn (Charlie, *2014).

 


Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.