Katertage – wer kennt sie nicht? Tage, an denen das Leben langsamer läuft. Sonnenlicht, das schmerzt. Kaltes Wasser, das viel besser schmeckt als an anderen Tagen. Das Reine, das Einfache, wonach der Körper sich verzehrt. Verklebte Synapsen. Die heutige Sahneplatte höre ich an diesen Tagen besonders gerne. In den ersten Jahren als Student gab es ausreichend Gelegenheiten, diese “Tradition” zu etablieren. Nicht das ich an dieser Stelle den Konsum von gesellschaftlich legitimierten Rauschmitteln propagieren möchte. Glücklicherweise ändern sich die Zeiten und die Tage beinhalten andere Ziele als gesellschaftliche “Benebelung”. Was all die Jahre blieb, ist, dass Air mit Moon Safari ein wunderschönes, zartes und zerbrechliches Album schufen, welches Körper, Seele und Gedanken reinigt.
Betörend
Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel sind die beiden Köpfe hinter der Band Air. Gegründet 1995 in Versailles, waren die beiden Studenten der Architektur beziehungsweise Mathematik in der frühen Bandphase für Remixe befreundeter Künstler verantwortlich. Godin und Dunckel sind beide an den klassischen Instrumenten Gitarre und Klavier ausgebildet. Dennoch kreieren Air ihren unverwechselbaren Sound mit Hilfe von Analog-Synthesizern (Moog, Korg MS-20).
Nach drei Jahren komponieren, mixen und sampeln erscheint ihr Debütalbum Moon Safari 1998. Ausgerechnet im Januar, obwohl das Album für mich eine perfekte “Sommerplatte” ist. Das Album macht sofort nach Veröffentlichung auf sich aufmerksam und erntet sehr gute Kritiken. Air schwimmen auf der Erfolgswelle der französischen Elektronikmusik im ausgehenden Jahrtausend. Neben ihren Epigonen Étienne de Crécy oder Daft Punk treiben Air nicht, sie betören. Ihre Melodien wirken elegisch und besinnen sich, trotz englischen Textsamples, auf die Musik der Grande Nation.
French Pop
Moon Safari beinhaltet mehr Atmosphären als Songs, Klanglandschaften die erden. Über allem steht “All I Need“, die gezupfte Entspannung und Leichtigkeit. Mehr gehaucht als gesungen von Beth Hirsch, einer Singer-Songwriterin aus Tampa, Florida. Sie lernte das Duo in Paris kennen, als Nicolas Godin sie zufällig bei einer Aufnahme hörte. Begeistert bot er ihr an, auf einem Song mitzuwirken. So schrieb sie den Text und die Melodie für All I Need. Ich liebe den Song!
Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist das laszive “Sexy Boy“. Ebenfalls als Single veröffentlicht, beschreibt Nicolas Godin die Entstehung kurios:
“One day I played a riff to Jean and he said “sexy boy” out of the blue – and that was how we got the song. If we’d sung “sexy girl”, it would have been a disaster. Sexy Boy felt different. The song was about who we wanted to be; we weren’t handsome when we were younger; our friends always had more success with girls. […] The night we did Sexy Boy, I knew my life would change. Before Daft Punk and us, French pop was synonymous with Sacha Distel. I hated it. But electronic music meant you could make cool music without being a rocker. In France, we’re not considered a great band. The French still have very bad taste in music.”
Nicolas Godin, The Guardian, 2016
Fanboy
Das fasst es meiner Meinung nach sehr gut zusammen. Air haben kein Problem damit, “Popmusik” zu schaffen. Vielmehr ein Problem damit, alles so zu tun wie bisher. Weg vom klassischen Strophe-Refrain-Strophe-Konzept. Melodien Raum lassen, sich zu entfalten. Das schafft Moon Safari wie kaum ein anderes Album der letzten Jahre. Bei den ersten Tönen von “La Femme d’Argent” falle ich umgehend in einen Zustand der Entspannung und Regeneration. Wie ein heißes Bad zu nehmen, die Ohren so weit unter Wasser, dass alle Nebengeräusche der Welt verschwinden. War es früher das Ziel, den Kater bis zur nächsten Feier zu beseitigen, so helfen mir Air heute dabei, den Blick auf wesentliche Dinge zu richten.
Das ich ein großer Fan der französischen Elektromusik bin, ist spätestens nach dem Beitrag zu Daft Punks “Homework” bekannt. Air schreiben zu dieser Liebe ein weiteres Kapitel. Nein, sie malen es. Mit Wasserfarben.
Unnützes Kneipenwissen: Der Song “Kelly Watch The Stars” ist der nach Nicolas Godin “schönsten Frau der Welt” gewidmet. Weder seine Jugend- noch aktuelle Liebe ist gemeint, er spricht von Jaclyn Smith. Smith ist Schauspielerin und verkörperte den “Engel” Kelly Garrett in der Fernsehserie “Drei Engel für Charlie”. Schwärmerei Galore!
Anspieltipps: All I Need, Sexy Boy, Kelly Watch The Stars
Höre ich dann am liebsten: in einer Badewanne voller Milch und Honig
Air – Moon Safari
Genre: | Electronic |
Stil: | Downtempo |
Jahr: | 1998 |
Anzahl Titel: | 10 |
Laufzeit: | 43:33 |
Tracklist
La Femme d'Argent | 7:10 |
Sexy Boy | 4:57 |
All I Need | 4:28 |
Kelly Watch The Stars | 3:44 |
Talisman | 4:16 |
Remember | 2:34 |
You Make It Easy | 4:00 |
Ce Matin-Là | 3:38 |
New Star In The Sky | 5:38 |
Le Voyage De Pénélope | 3:10 |
14. August 2017 um 8:30 Uhr
Hab ich echt noch nie gehört, muss ich aber im Fall der Katerfälle direkt mal versuchen. Tendenziell morgen 🙂 🙂
14. August 2017 um 8:53 Uhr
Sehr stark…und immer schön entspannen! 🙂
14. August 2017 um 8:58 Uhr
Wird gemacht 😀
14. August 2017 um 10:36 Uhr
All I need ist betörend. Das Video ist wunderschön. Kannte ich bisher nicht.
14. August 2017 um 10:42 Uhr
Hey Alex, kanntest du nur das Video oder den Song generell nicht?
Von All I Need gibt es sogar zwei offizielle Videos, ich finde dieses schöner…:)
LG Torsten
14. August 2017 um 19:01 Uhr
Der Song kommt mir bekannt vor (habe oft in Frankreich Urlaub gemacht und viel Radio gehört), aber sicher ist es nicht. Musik mit dem Etikett Electronica würde ich nicht freiwillig hören, aber man weiss nie was sich dahinter verbirgt…
Ich schreib vielleicht irgendwann was zu meiner eigenen Stilbildung und Weiterentwicklung 🙂
LG Alex
14. August 2017 um 19:07 Uhr
Hey Alex, kann ich verstehen, dass kann schnell ausarten… 😊. Gerne, generell geht es bei mir immer um Alben und warum dieses gerade besonders für dich ist… Wenn du mal ne Idee hast, lass es mich wissen! 😊
14. August 2017 um 16:49 Uhr
Ich teile die Liebe zu All I Need! Zu keinem anderen Song kann ich so nachdenklich berührt und glücklich zugleich sein. Ich höre ihn selten, aber er ist irgendwie immer ein Fixpunkt mit dem ich die vergangenen 18 Jahre Revue passieren lasse. Hach… 🙂
14. August 2017 um 16:56 Uhr
Hallo Helen, das hast du ganz wunderbar beschrieben! Sehr schöne Worte….
Toll, dass du mein Empfinden teilst, schau gerne öfter vorbei! 😊
LG Torsten
15. August 2017 um 20:08 Uhr
Danke, das werde ich tun!
Ich mag dein Konzep,das ist so ein bisschen wie diese Abende, wo man der PartnerIn/guten Freunden nur mal ganz kurz etwas (im Internet) vorspielen wollte und man letzten Endes mehrere Stunden damit verbringt gute Musik, beladen mit Erinnerungen, einander zu teilen.
Wenn ich Zeit finde, setze ich mich auch mal an einen Gastbeitrag… ich hatte da Ideen ^^
15. August 2017 um 20:39 Uhr
Liebe Helen, ganz herzlichen Dank für Deine Worte. Das freut mich sehr!
Du bist jederzeit herzlich eingeladen…. 😊
LG Torsten
14. August 2017 um 18:09 Uhr
Love Air. :o) Can’t live without it … ;o)
14. August 2017 um 18:58 Uhr
Das freut mich sehr! Genieße es! 😊
14. August 2017 um 19:15 Uhr
In den letzten Jahren hab ich Cinematic Orchestra für mich entdeckt – da ist auch Elektronik mit drin 🙂
Kennst Du bestimmt. Kann ich hoch und runter hören, und zwar fast alles.
14. August 2017 um 19:23 Uhr
Oh nein, tatsächlich nicht… Da höre ich doch mal rein… Danke! 😊😊
15. August 2017 um 12:14 Uhr
Lustigerweise hat diese Scheibe in den ersten Jahren unseren Lütten immer wunderbar in den Schlaf gebracht … sollte ich mal wieder versuchen, wenn er abends nicht ins Bett will 😉
15. August 2017 um 12:26 Uhr
Sehr schön! Vielleicht greift ja Pawlow? 😊😂
15. August 2017 um 15:07 Uhr
aber nicht dass er dann irgendwie ständig noch was zu essen braucht ;))))
15. August 2017 um 19:02 Uhr
Mein All-Time-Favourite unter den Air-CDs!!
15. August 2017 um 20:38 Uhr
So solls sein! 😊
18. August 2017 um 7:41 Uhr
Ach, da kamen aber jetzt viele tolle Emotionen hoch … mit dieser Platte in Dauerschleife habe ich einen der besten Sommer meiner Jugend verbracht… da ist wirklich jedes Lied eine eigene, schöne Erinnerung! 🙂
18. August 2017 um 7:43 Uhr
Huhu Myriam, das freut mich sehr! Komm gerne öfter vorbei, ich freue mich auf dich! 😊😊
18. August 2017 um 7:51 Uhr
Das werde ich ganz sicher, ich freue mich schon auf mehr Flashbacks und sicher auch Neuentdeckungen bei dir 😉
18. August 2017 um 7:52 Uhr
Herzlichen willkommen! 😊😊