“Papa, der singt über jemand der schon tot ist”, sagt Emil. “Papa, der singt auf Deutsch”, sagt Jakob. Aufmerksamkeit gehört quasi zu ihren Kernkompetenzen. “AM-A-DE-US” schallt es durchs Auto. Das Schlüsselwort. “Ja, es geht um Wolfgang Amadeus Mozart, einen Komponisten”, repetiere ich pflichtbewusst und in voller Überzeugung der Richtigkeit der einzelnen Details. Diese scheinen die Jungs weniger zu interessieren. Na ja, eventuell speichert das Unterbewusstsein meine Einwürfe ab und kramt bei Bedarf (Musikunterricht) die Erinnerung hervor. Der Meilenstein deutschsprachiger Musik von Falco war groß zu Zeiten meiner Einschulung. Und scheint 32 Jahre später immer noch zu funktionieren.
“Des schoff i nie wieder. Jetzt is’ aus.”
“Rock Me Amadeus” schrieb nicht Falcos Hausproduzent Robert Ponger, sondern das niederländische Produzentenduo Bolland & Bolland. Nach dem kommerziellen Misserfolg des Albums “Junge Römer” hatte sich Falco mit Ponger zerstritten. So kam es, gezwungenermaßen, zur Kollaboration mit den “Kasrollern”, wie der Wiener seine neuen Kreativpartner “liebevoll” nannte. Als Falco das Stück einsingen sollte, weigerte er sich. Er betrachtete ein Lied über Wolfgang Amadeus Mozart als “Leichenfledderei”. Selbst nach wochenlangen Überzeugungsversuchen betrat er unter Protest das Aufnahmestudio. “Ich singe diesen Titel nur unter größtem Widerstand und auf Druck meines Managements!”. Sturzbetrunken soll der Exzentriker bei den Aufnahmen gewesen sein, so dass er den Text souffliert bekam. Dennoch schaffte er es, dem Popstück mit seinem Wiener Schmäh etwas Besonderes zu geben. Irgendwie sang er nicht über das Leben von Mozart, er sang über sich selbst.
Als Rock Me Amadeus ein Jahr später, 1986, die Nummer #1 der US-Charts eroberte, feierte in Wien die gesamte Entourage Falcos ausgelassen. Nur er selbst wurde ganz still, fast grantig. Bereits nach seinem ersten Hit “Der Kommissar” sah Falco sich einem nicht zu erfüllenden Erwartungsdruck gegenüber. Das wiederholte sich vier Jahre später in größerem Ausmaß. “Des schoff i nie wieder. Jetzt is’ aus.”, sagte er am Abend der Feier. Dieser Wankelmut war sinnbildlich für Hans Hölzl, wie Falco mit bürgerlichem Namen hieß. Öffentlich der große Zampano mit überbordendem Selbstbewusstsein. Privat geprägt von Zweifel und Angst. Nummer #1 in den USA. Was kommt danach, bitteschön?
“Er war so exaltiert, genau das war sein Flair”
Mit seinen Zweifeln blieb er im Recht. Kurz nach seinem Beitrag zur deutschsprachigen Musikgeschichte, brachen seine Verkaufszahlen in den USA und Großbritannien ein. Die Chartplatzierungen entwickelten sich rückläufig. Sein Manager Horst Bork sagte zu ihm, er müsse seinen Lebensmittelpunkt in den USA aufbauen, wenn er die Erfolge wiederholen wolle. Die Amerikaner suchen die Nähe zu ihren Stars. Falco konnte das nicht. Die enge Beziehung zu seiner Mutter Maria und seine Hassliebe zu Wien ließ das nicht zu. Gefragt nach seinen Zukunftsplänen, machte Falco seiner Heimat eine ungeahnte Liebeserklärung: “Das Schönste an der amerikanischen Fahne sind die rot-weiß-roten Streifen.”
Rock Me Amadeus ist in seinem internationalen Erfolg als deutschsprachiges Lied bis heute unerreicht. Bereits in meinem Beitrag zu Bilderbuch schrieb ich, dass die Österreicher den Deutschen in der populären Musik oft etwas Voraus haben. Der Charme, den Schmäh, das Spitzbübische – häufig das Intelligente, die Raffinesse. Falco konnte dies wie kein Zweiter, dafür war er bei all seiner Exzentrik zu bewundern. Er starb am 06. Februar 1998 bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik.
Unnützes Kneipenwissen I: Rock Me Amadeus ist bis heute das einzige deutschsprachige Lied, dass es bis auf Platz #1 der US- und UK-Chart geschafft hat. Und das von einem Österreicher … Herrschaftszeiten.
Unnützes Kneipenwissen II: Hans Hölzl war das einzige überlebende Kind von Drillingen. Seine Mutter verlor die anderen beiden Kinder bereits im dritten Schwangerschaftsmonat, infolge eines Blutsturzes.
Jede Woche begleite ich meine Zwillinge Emil und Jakob auf ihrem Weg durch die musikalische Welt. Wo bleiben sie stehen, wo verweilen sie? Wo sehe ich mich, wo laufe ich weg? Jeder Tag voller Spannung und vor allem, nie ohne Musik. Erfahrt hier mehr über die Songs der Sahnehäubchen.
15. Dezember 2017 um 10:15 Uhr
Ja, ein sehr interessanter und auch tragischer Künstler. Ich persönlich mochte und mag von Falco das Lied Jeanny am liebsten, auch das Video. Die Geschichte und die Spekulationen darum, hoch spannend. Und die Wiener in ihrer Art, mag ich eh sehr. 🙂
15. Dezember 2017 um 12:45 Uhr
Liebe frauvonflummiball,
ja, das stimmt, Tragik können wir immer gut ab, wenn es nichtr uns selbst betrifft…;)
Ich finde seine Geschichte auch sehr faszinierend. Als Künstler begnadet, als privater Mensch wäre ich mit ihm bestimmt nicht warm geworden…:)
Ich mag Wien auch sehr, hatte das Glück in der Vergangenheit dort beruflich zu tun gehabt zu haben. Habe dort lebe Menschen kennengelernt.
Jeannie war zur damaligen Zeit höchst kontrovers (sofern das meine Kindheitserinnerungen zulassen…;)). Mein Lieblingsstück bleibt “Der Kommissar”, damit war er seiner Zeit meilenweit voraus…
Hab ein schönes Wochenende! ♥
LG Torsten
15. Dezember 2017 um 13:00 Uhr
Dir auch ein schönes Wochenende. Falls Interesse besteht, google mal den Wiki Eintrag zu dem Lied. Ziemlich unten wird er zitiert…
Ich glaube, gerade wenn oder weil fast jeder Mensch ein paar tragische Momente erleben musste, kann man sich ehr mir diesen Persönlichkeiten identifizieren, als jene, die sich zumindest äußerlich in ihrem Auftreten so geben, als wäre alles immer Sonnenschein.
🙂
15. Dezember 2017 um 15:29 Uhr
Das mache ich, liebsten Dank! 😊🍀
15. Dezember 2017 um 12:59 Uhr
Wir mochten auch “Junge Römer” sehr gerne. Falco war ein außergewöhnlicher Künstler. Besonders unser jüngster Sohn, damals zwei Jahre alt, war ein Super-Fan von Falco. und er hat sich nie dafür geschämt. Seine Begeisterung ging so weit, dass er früh am Morgen auf das Regal mit dem Plattenspieler kletterte und eine der Falco LPs auflegte. Da er noch nicht so feinmotorisch unterwegs war, hat uns das einige Nadeln gekostet.
15. Dezember 2017 um 15:31 Uhr
Was für eine schöne Geschichte… Könnte glatt ich gewesen sein… 🤣😊.
An “Junge Römer” ist Falco fast zerbrochen, ein Album, was er genau so machen wollte, aber kommerziell nicht funktioniere… Es wurde später zu recht rehabilitiert… 😊
15. Dezember 2017 um 18:01 Uhr
Hmmmmm, den Song hatte ich auch bei meinen Songs des Tages dabei – zu finden unter https://solera1847.wordpress.com/2017/07/10/song-des-tages-301-2017-07-10/ – diese symphonische Version ist auch ganz gelungen. Als Jugendlicher war ich vom Original-Video-Clip derart fasziniert (vor allem der eine Rocker-Typ mit dem Armband voller Nieten, das fesselte mich als Acht- oder Neunjährigen schon ziemlich), dass ich jede Woche bei „Formel 1“ hoffte, dass dieser Song gespielt würde.
15. Dezember 2017 um 18:02 Uhr
Haha, coole Story… Formel Eins… 😁😁
15. Dezember 2017 um 18:08 Uhr
Ja, das waren noch Zeiten, mit Ingolf Lück und Stefanie Tücking. 😉
15. Dezember 2017 um 18:11 Uhr
Die Tücking haben wir dank SWR ja immer noch am Hacken 🙊🙈
15. Dezember 2017 um 18:13 Uhr
Ja, ich weiß nicht genau, ob sie es ist oder eine der anderen Sprecherinnen, die auf SWR3 moderieren, aber eine von denen hat so eine heisere Stimme, dass ich mich andauernd zu räuspern versuche, wenn ich ihr nur zuhöre… 😳
15. Dezember 2017 um 18:21 Uhr
Sie ist es… 😉
16. Dezember 2017 um 12:01 Uhr
Mal gespannt was die Jungs sagen wenn sie “Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da!” hören 😉
16. Dezember 2017 um 12:03 Uhr
Da müssen sie erst an den Mark’ Oh Platten vorbei… 🤣🤣🤣
5. Januar 2018 um 17:27 Uhr
Hallo 🙂
Unnützes Kneipenwissen 1 ist mir als Österreicherin wohl bekannt und auch das Lied kenne ich praktisch auswendig. So wie diverse andere Lieder von Falco. Ist zwar nicht gerade meine Generation, aber die meiner Eltern, welche mir Falco freundlicherweise mit in die Wiege gelegt haben. 😉
Liebe Grüße,
Smarty
5. Januar 2018 um 18:01 Uhr
Huhu Smarty, herzlich willkommen! Fühle dich wohl! 😊🍀 Sehr schön das du dir ein Stück heimisches Kulturgut bewahrst. 😊😊
8. Januar 2018 um 9:24 Uhr
Mach ich auf jeden Fall 🙂
Wenn ich mir anschaue, was mein Land gerade so aufführt, muss ich mich ja mit irgendetwas trösten 😉 Und früher war es halt besser xD
Einen guten Start in die neue Woche
8. Januar 2018 um 9:26 Uhr
Das wünsche ich dir auch! 🍀
Wenn ihr was macht, dann immer richtig… 😉😊
8. Januar 2018 um 9:47 Uhr
Danke 🙂
Wem sagst du das 😛 Die Wahnsinnigen werden schon noch sehen, was sie von ihrer braunen, ähhh, die blauen, mein ich, Wahl haben…
28. März 2018 um 15:38 Uhr
Im Nachhinein durch das ganze Buhei ein tragisch interessantes Leben.
Aber ich hatte mit ihm immer ein Problem. Auf “Einzelhaft” fetzen nur 2 Nummern, mit “Junge Römer” hab ich mich mal derb bekauft: Kompletter Vollschrott. Die Falco 3 hatte immerhin noch den Jeany-Skandal und eben den Amadeus….von dem Kram danach kam gar nichts mehr durch meine Geschmackskontrolle. verdammt wenig Ausbeute insgesamt. Ich mag eigentlich viel vom sogenannten Austro-Pop, (vor allem und für immer Georg Danzer!) aber den Falco – eher nicht.
28. März 2018 um 15:42 Uhr
Ich finde die Figur und den Bassisten dahinter sehr interessant. Tragisch trifft es gut, vielleicht auch deswegen eine unfreiwillige Parallele zu Amadeus. Als einziger Überlebener von Drillingen fing es ja schon tragisch an… 😉