Adam Yauch starb am 04. Mai 2012. An Krebs. Mit 47 Jahren. Trotz der Geschwindigkeit, mit der heutige Informationen um die Welt kreisen, traf diese Nachricht alle Musikfans mit voller Wucht. Sofort war klar, dass es ab diesem Tag die Beastie Boys, eine der einflussreichsten Bands, nicht mehr geben wird.

Weiß, Jüdisch, Mittelschicht

Gegründet 1981 in Brooklyn, spielten die drei Schüler Adam „MCA“ Yauch, Michael „Mike D“ Diamond und Adam „Ad Rock“ Horovitz anfangs Hardcore-Punk. Das mit sehr überschaubaren Erfolg. Eigentlich war alles eine große Wolke aus Krach, mäßig angelegt an ihre Vorbilder Bad Brains und Black Flag. Erste Annährungen an den Hip-Hop kamen durch selbst gemischte Samples. Diese unterlegten sie Scherztelefonanrufen und spielten sie Freunden und Bekannten vor. Sie nannten sich Beastie Boys.

Als Mitglieder der jüdischen Mittelschicht aus Brooklyn, waren die Beastie Boys nicht unbedingt mit hohem Identifikationspotential für den Hip-Hop geboren. Weiße Hautfarbe inklusive. Der kreative Output in den Anfangsjahren wuchs stetig. Rap-Skills wurden verbessert (besser gesagt aufgebaut), die ersten EPs entstanden.

1985 traf die Band Rick Rubin, ein damals unbekannter Produzent, der erste berufliche Gehversuche im Hip-Hop unternahm. Genau wie die drei Jungs, war auch er, vom äußeren Erscheinungsbild her, nicht gerade tauglich für die höchste Kredibilität im Genre.

Rick Rubin produzierte im Jahr 1986 genau zwei Alben, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Das Debüt der Beastie Boys, “Licensed To Ill” und “Reign In Blood” der Metal-Band Slayer. Beide Alben wurden Klassiker ihres Genres und katapultierten Künstler wie Produzent in zuvor ungeahnte Sphären. Rick Rubin wurde später Hausproduzent der Red Hot Chili Peppers und verhalf Johnny Cash in späten Lebensjahren zu verdientem Ruhm.

Licensed To Ill war das erste reine Hip-Hop Album, welches #1 der amerikanischen Billboard-Charts erreichte. Alle Bandmitglieder Anfang 20, weiß, jüdischer Herkunft, Mittelschicht, schlechte Punkmusiker und ab sofort stilbildend für ein ganzes Genre.

Das ist also “cool”

Ich war nie ein großer Hip-Hop-Fan, vielleicht weil ich weiß bin, Kind der Mittelschicht usw. Ich kann es nicht sagen. Die Beastie Boys habe ich hingegen immer geliebt und bewundert. Licensed to ill war glücklicherweise Bestandteil der Plattensammlung meiner Brüder. So gewann das Album bereits sehr früh meine Aufmerksamkeit. Ich war damals eher vom auffälligen Gatefolder zum Aufklappen und dem dadurch zu Tage tretenden zerstörten Flugzeug auf dem Cover angetan. Damals habe ich das erste Mal gemerkt was “cool” bedeutet.

Als Einstieg ist das Xylophon in Girls sehr kinderohrenfreundlich, gut dass es mit dem Englisch damals noch nicht weit her war. An Fight For Your Right ist sowieso kein vorbeikommen. Laut schreien und rumgröhlen kennt kein Alter. Lustig, dass die Ironie des Songs den meisten Hörern fremd ist, nimmt doch der Song im eigentlichen Sinn die “Partygröhler” auf die Schippe:

„Das einzige, was mich stört, ist, dass wir vielleicht bestimmte Gefühle einiger Menschen im Publikum verstärkt haben, die total gegensätzlich zu unseren eigenen Gefühlen waren. Es gab etliche Jungs, die “Fight For Your Right” mitsangen, die blind gegenüber der Tatsache waren, dass dieses Lied eigentlich genau sie veräppelte.“ Michael Diamond

Ansonsten ist die Platte geprägt von klassischem Hip-Hop, vorgetragen in einem markanten 3 MCs-Konzept. Rhymin’ & Stealin’, She’s Crafty, Brass Monkey gehören zu den stärksten Songs des Albums. Die Beastie Boys waren bekannt dafür, ihre alten Hardcore- und Punk-Wurzeln mit Hip-Hop zu vermischen. Das bereits zitierte Fight For Your Right oder das großartige No Sleep Till Brooklyn sind Klassiker und verbanden bereits in den 1980er Jahren Rock- und Hip-Hop-Fans.

Viel zu früh zu spät

Für mich ist Licensed To Ill eine “Partyplatte” die immer gute Laune macht. Genau für dies und all das, was die Band in den Folgejahren genreübergreifend leisten sollte, sind die Beastie Boys für mich viel größer als jede Schublade. Leider habe ich die Band nie live gesehen. Nun ist es zu spät. Viel zu früh.

 

TIPP: In der nachfolgenden Playlist findet ihr den von Adam Yauch gedrehten Kurzfirm “Fight For Your Right Revisited”, welches die Handlung des Ursprungsvideos 25 Jahre nach dessen Erscheinen weiterführt. Leicht surreal umgesetzt, aber irre komisch.

Ich bitte euch, die 25 Minuten eures Lebens in das Anschauen dieses Videos zu investieren. Es ist großartig! Wer alle, ebenfalls großartigen, Schauspieler erkennt, ohne in den Abspann zu schauen, möge sich bitte melden.

 

Höre ich dann am liebsten: Party, wenn sich der Achtjährige mal “cool” fühlen will

Anspieltipps: Brass Monkey, Fight For Your Right, No Sleep Till Brooklyn

 



Beastie Boys – Licensed to ill

Genre:Rap / Hip-Hop
Stil:Hip-Hop, Rap-Rock, Crossover
Jahr:1986
Anzahl Titel:13
Laufzeit:44:33

Tracklist

Rhymin’ & Stealin’4:08
The New Style4:35
She’s Crafty3:36
Posse In Effect2:27
Slow Ride2:56
Girls2:14
Fight For Your Right3:28
No Sleep Till Brooklyn4:07
Paul Revere3:42
Hold It Now, Hit It3:29
Brass Monkey2:38
Slow And Low3:37
Time To Get Ill3:37